Mit Großmutters Wissen fing offenbar alles an: Norma Alcantar von der University of South Florida in Tampa berichtet, dass ihre mexikanische Großmutter sie mit dem Prinzip vertraut gemacht hat: Sie packte kleingeschnittene Opuntien-Stücke in einen Eimer mit trübem Wasser und nach einiger Zeit setzten sich die Schwebstoffe ab, so dass die obere Wasserschicht klar und trinkbar wurde. Tampa und ihren Kollegen erschien dieser Effekt vielversprechend und so entschieden sie sich, diese traditionelle Methode gezielt zu untersuchen. Zunächst setzten sie das Verfahren experimentell ein, um verunreinigtes Trinkwasser nach dem Erdbeben in Haiti zu reinigen und erreichten dabei beeindruckende Erfolge. Anschließend begannen sie mit Detailanalysen.
Schleim schließt Verunreinigungen ein
Sie stellten fest, dass die schleimige Substanz aus Kohlenhydraten und Zuckern, die sich auf der Oberfläche der Stücke bildet, Schwebstoffe, Bakterien und andere Verunreinigungen anzieht und einschließt. „Es bilden sich dabei Flocken aus, die aussehen wie Zuckerwatte“, sagt Alcantar. Sie setzen sich dann ab und beseitigen die Verunreinigungen auf diese Weise. „Wir haben auch festgestellt, dass der Schleim Arsen anzieht und bindet“, berichtet die Wissenschaftlerin. Auch in ölverseuchtem Wasser kann die Kaktus-Strategie günstige Effekte vermitteln, sagt die Wissenschaftlerin. Der Schleim eignet sich demnach effektiv, um das Öl zu lösen.
Besonders vielversprechend könnte der Einsatz der Methode zur Wasseraufbereitung bei Aquakulturen sein, berichten Alcantar und ihre Kollegen. Die Fischzuchten bilden eine zunehmend wichtige Nahrungsquelle für den Menschen. Doch oft kommt es bei der Haltung in den Fischfarmen zu einem anrüchigen Problem: Die Fische können zwar in schlechter Wasserqualität überleben, dies kann aber zu geschmacklichen und geruchlichen Qualitätsproblemen führen: Die Tiere bekommen ein fauliges Aroma, das letztlich auf die Aktivität von Bakterien im Wasser zurückzuführen ist.
Damit Zuchtfische nicht mehr moosig schmecken
Dabei zeichnet sich nun die Kaktusmethode als eine natürliche und nachhaltige Methode zur Wasseraufbereitung ab. Die Forscher arbeiten momentan an einem Prototyp eines Wasseraufbereitungssystems für Aquakulturen, das auf der Basis von Kaktusextrakten basiert. Günstig ist dabei auch, dass für den stacheligen Rohstoff keine gefährdeten Naturbestände ausgerottet werden müssen: Opuntien wuchern vielerorts in Mittelamerika und werden auch zu Ernährungszwecken und zur Futtermittelproduktion gezielt angebaut. Die Forscher sind nun allerdings auch den genaueren Geheimnissen des Pflanzenmaterials auf der Spur. Letztlich könnten daraus synthetische Versionen des schleimigen Stoffes hervorgehen, die sich für viele Bereiche eignen, in denen Wasseraufbereitung gefragt ist.