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Chemie-Nobelpreis für deutschen Mikroskopie-Pionier

Erde|Umwelt

Chemie-Nobelpreis für deutschen Mikroskopie-Pionier
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STED-Erfinder und Nobelpreisträger 2014: Stefan Hell (MPI für biophysikalische Chemie)
Den Nobelpreis für Chemie 2014 erhalten drei Forscher, die die Auflösungsgrenzen der Lichtmikrokopie bis in den Bereich einzelner Moleküle verschoben haben. Der deutsche Stefan Hell erreichte dies mit der von ihm entwickelten STED-Mikroskopie, die beiden US-Forscher Eric Betzig und William Moerner entwickelten die Einzelmolekül-Mikroskopie.

Lange galt die Lichtmikroskopie als ausgereizt und für höhere Auflösungen ungeeignet: Strukturen, die weniger als 200 Nanometer auseinander liegen, so die seit rund 130 Jahren unangefochtene Lehrmeinung, könnten unter dem Lichtmikroskop nicht scharf voneinander getrennt werden. Ein im Lichtstrahl fluoreszierender Marker erscheint daher als unscharfer Fleck, sobald er die kritische Größe unterschreitet.

Stefan Hell und die STED-Mikroskopie

Doch Stefan Hell und seine Mitarbeiter am Max-Planck-Institut für biophysikalische Chemie ließen sich davon nicht abschrecken: Sie suchten nach einer Möglichkeit, um einzelne Moleküle, beispielsweise Proteine, mittels Fluoreszenzmarkern in den Feinstrukturen des Gewebes sichtbar zu machen. Das Elektronenmikroskop – das ja eine höhere Auflösung liefert – kam dafür nicht in Frage, da es nur wenige Mikrometer tief in eine Probe eindringt und auch Fluoreszenz nicht sichtbar machen kann. Also musste die Auflösung der Lichtmikroskopie erhöht werden – trotz der scheinbaren Unmöglichkeit.

Mit der Stimulated Emission Depletion Mikroskopie (STED) gelang den Wissenschaftlern tatsächlich der Durchbruch. Dabei verwendeten sie zusätzlich zum energiereichen Lichtstrahl, der für die Anregung der Fluoreszenzmarker sorgt, einen zweiten Strahl, der die angeregten Fluoreszenzmarker wieder abregt, bevor sie Fluoreszenzlicht emittieren. Der Trick, um die höhere Auflösung zu erreichen, bestand nun darin, diesen zweiten, eigentlichen STED-Strahl ringförmig über den ersten zu legen. Dadurch wurden vor allem Marker aus dem Außenbereich des ersten Strahls abgeregt und die Fläche des Fluoreszenzflecks verkleinerte sich. Eine Auflösung von unter 20 Nanometern erreichten die Forscher auf diese Weise – und unterboten damit die vermeintliche Auflösungsgrenze der Lichtmikroskopie um mehr als das Zehnfache.

Mit dem STED Mikroskop konnten Hell und sein Team im April 2006 erstmals das Geschehen an neuronalen Synapsen, den Kontaktstellen zwischen zwei Nervenzellen, genauer untersuchen und bewiesen damit, dass die Abbesche Auflösungsgrenze „ausgetrickst“ werden kann.

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William Moerner und Eric Betzig: Überlagertes Leuchten

Während Hell an seiner STED-Mikroskopie arbeitete, beschäftigte sich William Moerner an der University of California in San Diego mit einem grün fluoreszierenden Quallenprotein. Dieses Protein gibt grünes Licht ab, wenn es mit blauem Licht der Wellenlänge von 405 Nanometern bestrahlt wird, wie der Forscher feststellte. Durch Versuche mit Proteinen in Gel stellte Moerner fest, dass sich das Fluoreszieren der einzelnen Moleküle gezielt an- und abschalten und per Lichtmikroskop beobachten ließ – solange die Proteinmoleküle weiter als die Abbesche Auflösungsgrenze von 200 Nanometern voneinander entfernt waren. Er selbst schaffte es damit nicht, die magische Grenze zu unterschreiten, lieferte aber dafür eine wichtige Voraussetzung:

Eric Betzig griff auf die Erkenntnisse von Moerner zurück und suchte seinerseits nach einer Methode, die einzelnen Moleküle auch unterhalb der Abbeschen Auflösungsgrenze sichtbar zu machen. Seine Idee: Wenn die Moleküle in unterschiedlichen Farben leuchten und das Mikroskop jeweils getrennte  Aufnahmen in den verschiedenen Farbbereichen macht, dann müsste man durch Überlagerung der Bilder auch Moleküle abbilden können, die näher aneinander liegen als 200 Nanometer. Denn für jede einzelne Farbe bliebe zwar die Auflösungsgrenze erhalten, die Überlagerung aber trickst diese Grenze aus.

Betzig stieß allerdings zunächst an praktische Grenzen: Er konnte seine Idee nicht umsetzen, weil die entsprechend verschiedenfarbig fluoreszierenden Substanzen fehlten. 2005 dann brachte ihn die Weiterentwicklung des grünen Quallenproteins auf einen Ausweg: Statt verschiedene Farben zu nehmen, nutzte er nun zeitlich unterschiedliches Leuchten. 2006 gelang ihm damit der praktische Durchbruch: Er koppelte das Leuchtprotein an die Membran eines Zellbestandteils und aktivierte die Fluoreszenz so, dass zu verschiedenen Zeiten verschiedene Moleküle leuchteten. Zu jedem Zeitpunkt waren diese Moleküle 200 Nanometer oder mehr voneinander entfernt. Diese nahm er zeitlich versetzt mit dem Mikroskop auf und überlagerte die Aufnahmen dann hinterher. Es entstand ein Bild, das die zeitliche versetzten Moleküle alle auf einmal zeigte – und damit auch näher aneinander als die Abbesche Auflösungsgrenze.

Die von den drei Forschern entwickelten Mikrokopie-Techniken gehören heute längst zum Repertoire von Laboren weltweit. Sie haben bereits zahlreiche neue Einblicke in die Vorgänge im Inneren lebender Zellen geliefert. Denn im Unterschied zur Elektronenmikroskopie lassen sich damit nicht nur präparierte tote Objekte beobachten, sondern auch lebende. „Damit haben die diesjährigen Chemie-Nobelpreisträger die Grundlage gelegt, um das Wissen der Menschheit entscheidend voranzubringen“, heißt es in der Erklärung der Nobel Foundation.

Ein aktuelles Video zur Arbeit von Stefan Hell finden sie in unserem Videoportal.

 

 

 

Quelle:

© wissenschaft.de – Nadja Podbregar
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