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Am Anfang war der Schlamm

Erde|Umwelt

Am Anfang war der Schlamm
Das Leben begann möglicherweise damit, dass Luftbläschen durch tonhaltigen Schlamm blubberten. Dabei können nämlich stabile, kugelförmige Hüllen aus Tonmineralien entstehen, die alle Voraussetzungen für die Bildung primitiver Zellen erfüllen: Sie sind stabil, besitzen Poren, die unter anderem Bausteine für potenzielle Biomoleküle ins Innere lassen, und können sogar die Reaktionen zwischen solchen Bausteinen katalysieren. Das haben US-Forscher jetzt im Reagenzglas gezeigt. Haben sich im Inneren der Kügelchen dann erst einmal größere Moleküle aus den einzelnen Bausteinen gebildet, können diese nicht mehr hinaus. Es handelt sich demnach um ein natürliches Sortiersystem, das vor allem solche Moleküle festhält, die zur Selbstorganisation neigen – und damit die optimalen Voraussetzung für die Bildung von Biomolekülen erfüllen, erläutert Studienleiter Howard Stone von der Princeton-Universität.

Die runden Strukturen entstehen, wenn Luftbläschen durch einen Schlamm aus Wasser und einem Tonmineral namens Montmorillonit blubbern – ein sogenanntes Schichtsilikat, das sehr häufig in tonhaltigen Böden vorkommt. Dabei lagern sich die winzigen plättchenartigen Kristalle des Montmorillonits an die Grenzfläche zwischen Luft und Wasser an, so dass das Gasbläschen schließlich von einer Hülle aus Ton umgeben ist. Kommt das Gebilde dann mit einer Substanz in Berührung, die die Oberflächenspannung des Wassers senkt – beispielsweise ein Alkohol wie Ethanol oder Methanol -, kann die im Ton gefangene Luft entweichen und Wasser nachströmen. Übrig bleibt eine Mineralienhülle, die eine physikalische Barriere zwischen dem Wasser im Inneren und der Flüssigkeit außen bildet. Damit erfüllt sie genau die Funktion, die auch eine Zellmembran hat, sagen die Forscher.

Besonders spannend finden sie die Entdeckung, dass die Mineralienhülle genau wie eine Zellmembran semipermeabel ist: Sie enthält Poren, die eine ganz bestimmte Größe haben. Dadurch können zwar Flüssigkeiten und kleine Moleküle frei in die Kugel hinein- und wieder herausströmen, größere Moleküle lässt die Hülle jedoch nicht durch. So könnten beispielsweise Aminosäuren, die Bausteine der Proteine, in die Kugel hineingelangen, ein daraus im Inneren entstehendes, sehr viel größeres Eiweißmolekül jedoch nicht mehr hinaus. Das gleiche gilt für Fettsäuren, die sich in wässrigen Lösungen manchmal zu kugelförmigen Gebilden zusammenlagern und in dieser Form ebenfalls die kleinen Poren nicht mehr passieren können.

Dass gerade Montmorillonit diese Hüllen bildet, sei noch aus einem anderen Grund interessant, sagen die Forscher: Das Mineral kann die Bildung verschiedener Biomoleküle katalysieren, hatten bereits frühere Studien gezeigt. So fördert es nicht nur das Zusammenlagern von Fettsäuren zu den kugelförmigen Liposomen, sondern animiert auch einzelne Nukleotide – die Bausteine der Erbsubstanz DNA und der eng verwandten RNA – dazu, sich zu Ketten zu formieren. Die Poren in der Tonhülle könnten daher eine Doppelfunktion bei der Entstehung des Lebens gehabt haben, spekulieren die Wissenschaftler: zum einen als Eintrittspforte in den geschützten Raum der Mineralienkugel und zum anderen als katalytisch aktive Zentren.

Howard Stone (Princeton-Universität) et al: Soft Matter, online-Vorabveröffentlichung, doi: 10.1039/C0SM01354D dapd/wissenschaft.de – Ilka Lehnen-Beyel
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