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Lebende Zellen als Datenspeicher

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Lebende Zellen als Datenspeicher
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Ein Frame aus dem Video eines galoppierenden Pferdes, das die Forscher in den Bakterienzellen speicherten (Grafik: Seth Shipman)
Schon länger experimentieren Forscher damit, das Erbmolekül DNA als Datenspeicher zu nutzen. Nun sind US-Forscher noch einen Schritt weiter gegangen: Sie haben lebende Bakterienzellen zu Datenspeichern umfunktioniert. Erfolgreich kodierten sie im Erbgut der Mikroben das Foto einer Hand und sogar einen kurzen Film eines galoppierenden Pferdes. Dies gelang, weil die Mikroben durch ihr Genwerkzeug CRISPR/Cas9 von Natur aus dazu fähig sind, Fremd-DNA in ihr Erbgut einzubauen.

Die DNA dient der Natur schon lange als effektiver Träger von Informationen. Über die Abfolge der Basen im DNA-Strang kodieren Organismen die Bauanleitung für Proteine und wichtige Steuerfunktionen der Zelle. Der verhältnismäßig simple Basencode der DNA macht es zudem möglich, auch menschengemachte Informationen molekular zu speichern. Längst haben Forscher DNA-Schnipsel im Labor erzeugt, die die Daten für Textfragmente oder sogar Bilder kodieren. Der große Vorteil dabei: Ein solcher DNA-„Computer“ besitzt eine enorm hohe Datendichte: In nur einem Gramm DNA kann man rund 300.000 Terabytes an Daten speichern. „Ein bisher noch relativ unerforschter Weg der Datenspeicherung auf DNA ist dagegen die Möglichkeit, die Informationen direkt ins Erbgut einer lebenden Zelle zu schreiben“, sagen Seth Shipman von der Harvard University und seine Kollegen. „Dadurch könnten wir lebende Organismen erzeugen, die Information selbst aufnehmen, speichern und über längere Zeit hinweg weitergeben.“

Genschere als „DNA-Rekorder“

Dass man tatsächlich lebende Bakterienzellen als Datenspeicher nutzen kann, haben die Forscher nun auf plakative Weise unter Beweis gestellt. Möglich wurde dies dank eines Genwerkzeugs, das viele Bakterien von Natur aus besitzen: das CRISPR/Cas9-System. Die Mikroben nutzen diese Kombination aus Genschere und Einbauhelfer, um sich kleine Genschnipsel aus dem Erbgut eingedrungener Viren herauszuschneiden und diese an bestimmter Stelle in ihrer eigenen DNA einzufügen. Diese DNA-Pakete dienen der Immunabwehr der Bakterien als Gedächtnis und helfen ihnen, künftige Angriffe der Viren effektiver abzuwehren.

Genau diesen natürlichen Speicher der Bakterien haben Shipman und seine Kollegen nun ausgenutzt und für die Speicherung von digitalen Bilddaten zweckentfremdet. Dafür kodierten sie zunächst die Bildinformationen für jedes Pixel eines einfachen Schwarzweiß-Bildes einer Hand als Abfolge von DNA-Basen. Jeweils 28 DNA-Basen speicherten dabei die Daten eines Bildpixels, insgesamt wurden 784 Bytes an Bildinformation kodiert. Diese im Labor erzeugten DNA-Stränge waren in ihrer Struktur an die typischen, von den Bakterien mittels CRISPR erzeugten DNA-Pakete angepasst. Diese Pakete schleusten die Forscher dann in die Zellen einer Population von Escherichia coli-Bakterien ein – einem in der Biotechnologie häufig genutzten Darmkeim. Einen Tag später testen die Wissenschaftler, ob sie die gespeicherte Information wieder abrufen konnten: Sie entnahmen einige Zellen und sequenzierten deren gesamtes Erbgut.

Handfoto und Pferdefilm gespeichert

Den Forschern gelang es auf diese Weise, die in den lebenden Zellen zwischengespeicherte Bildinformation wiederzugewinnen: „Zwischen 88 und 96 Prozent der Pixelabfolgen konnten für die Handbilder akkurat abgerufen werden“, berichten Shipman und seine Kollegen. Ermutigt durch diesen Erfolg, legten die Wissenschaftler nun die Latte etwas höher: Sie testeten, ob sich auf gleiche Weise auch in kurzer Film in den Bakterienzellen speichern lässt. Die Zellen dienten dabei sozusagen als lebende Videorekorder. Dafür kodierten die Forscher die Bildinformation von fünf Filmbildern eines galoppierenden Pferdes in der DNA. Jeder Frame des Films wurde in ein CRISPR-gängiges Paket verwandelt. Damit die Bakterien diese Frames in der korrekten Reihenfolge speicherten, gaben die Forscher die jeweiligen Pakete nacheinander in die Zellkultur – jeweils ein DNA-Paket pro Tag. Weil die CRISPR-Maschinerie der Bakterien neue Fremd-DNA immer an schon abgespeicherte DNA-Pakete anhängt, kodierte die Abfolge der Pakete auch die Reihenfolge der Frames, wie Shipman und seine Kollegen erklären.

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Auch dieses Experiment gelang: Die Bakterien nahmen die Filmdaten in ihr Genom auf und speicherten es. Einen Tag später konnten die Forscher diese Informationen durch DNA-Sequenzierung wieder abrufen. „Wir konnten jeden Frame und auch die Reihenfolge der Frames rekonstruieren“, berichten Shipman und seine Kollegen. Die Rekonstruktion war dabei zu mehr als 90 Prozent vollständig. „Das demonstriert, dass dieses System praktisch nutzbare Mengen von Daten aufnehmen und stabil speichern kann – im Erbgut einer Population lebender Zellen“, konstatieren die Wissenschaftler. Sie planen nun, auch andere Zellen zu molekularen Rekordern zu machen und ihr System zu optimieren, dass es noch mehr Information kodieren kann.

Quelle:

© wissenschaft.de – Nadja Podbregar
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