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Genreparatur beim Embryo

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Genreparatur beim Embryo
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Menschliche Embryos nach der Genreparatur (Foto: Oregon Health & Science University)
Eingriffe in das Erbgut von Embryos sind ethisch stark umstritten. Dennoch haben Forscher nun einen weiteren solchen Eingriff in die Keimbahn vorgenommen. Mithilfe der Genschere Crispr/Cas9 korrigierten sie einen Gendefekt, der eine erbliche Herzkrankheit verursacht. Weil die eigentliche Reparatur von der befruchteten Eizelle selbst durchgeführt wird, erwies sich diese Methode als überraschend effektiv und führte kaum zu unerwünschten Nebeneffekten. Doch auch die Forscher betonen, dass vor einer praktischen Anwendung noch einige technische und ethische Hürden zu überwinden sind.

Die Genschere Crispr/Cas9 gilt als eines der vielversprechendsten neuen Werkzeuge der Gentechnik. Denn durch dieses Verfahren sind einfachere und zielgenauere Eingriffe in das Erbgut möglich als zuvor. Mithilfe von drei einfachen Komponenten findet das Allzweck-Werkzeug jede gewünschte DNA-Stelle. Selbst Punktmutationen kann die Genschere treffsicher korrigieren – und dies mit erheblich weniger unerwünschten Nebeneffekten wie beispielsweise dem Einsetzen von Genstücken außerhalb der Zielregion. Forscher haben Crispr/Cas9 inzwischen bereits erfolgreich eingesetzt, um den für die Sichelzellen-Anämie verantwortlichen Gendefekt in menschlichen Blutzellen zu reparieren, außerdem korrigierten sie eine Alzheimer-fördernde Mutation und den Gendefekt der Duchenne-Muskeldystrophie. Allerdings: Bisher fanden diese Genreparaturen meist entweder bei Tieren oder an adulten menschlichen Zellen statt.

Eingriff in die Keimbahn

Genreparaturen an befruchteten Eizellen oder Embryos dagegen sind in vielen Ländern – darunter auch in Deutschland – bisher verboten. Der Grund dafür: Wird an dem Erbgut dieser Zellen etwas verändert, dann wirkt sich dies nicht nur auf alle Zellen und Gewebe dieses Menschen aus, sondern auch auf alle seine Nachkommen. Wegen der hohen Risiken, aber auch der Möglichkeit des Missbrauchs beispielsweise für „Designerbabys“ sind solche Keimbahneingriffe ethisch hoch umstritten. Doch auf der anderen Seite könnten gerade solche nachhaltigen Eingriffe auch segensreich wirken: Man könnte verhindern, dass Erbkrankheiten, die durch den Defekt in nur einem dominanten Gen verursacht werden, sich in den betroffenen Familien von Generation zu Generation weitervererben. Unter anderem deshalb sind Eingriffe in die Keimbahn in einigen Ländern wie China und unter bestimmten Auflagen auch in den USA erlaubt. In China haben Forscher bereits im Jahr 2016 eine erste Genreparatur an menschlichen Embryos vorgenommen – allerdings mit extrem geringer Erfolgsquote.

Deutlich erfolgreicher ist jetzt ein internationales Forscherteam um Hong Ma von der Oregon Health & Science University in Portland. Sie haben erstmals den Gendefekt bei menschlichen Embryos korrigiert, der die sogenannte hypertrophe Kardiomyopathie (HCM) verursacht. Diese dominant vererbte Herzerkrankung betrifft einen von 500 Menschen und führt schon in jungem Alter zu Herzrhythmusstörungen und im Extremfall zu plötzlichem Herzversagen und dem Tod. Heilbar ist sie bisher nicht, nur die Symptome können behandelt werden. Bei etwa 40 Prozent der Fälle wird die Erbkrankheit durch eine Mutation im MYBPC3-Gen auf dem elften Chromosom verursacht. Dabei reicht es aus, wenn der Betroffene eine defekte Genkopie von einem seiner Elternteile erbt, um die Krankheit bei ihm auszulösen.

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Spermien plus Genschere

Auf der Suche nach einem Weg, diese erbliche Herzkrankheit mittels Gentherapie zu heilen, setzen Ma und seine Kollegen im frühesten Stadium des Lebens an: Sie kombinierten Eizellen von gesunden Spenderinnen mit den Spermien von Spendern, bei denen jeweils eine von zwei Kopien des MYBPC3-Gen defekt war. Zusammen mit dem Spermium injizierten sie die Genschere Crispr/Cas9 in die Eizelle, sowie einige Kopien des korrekten, nichtmutierten DNA-Codes des MYBPC3-Gens – quasi als Reparaturschablone. Dadurch war die Genschere bereits in der Phase aktiv und präsent, in der das Erbgut von Spermium und Eizelle miteinander verschmelzen. „Denn in früheren Versuchen, bei denen die Genreparatur-Konstrukte erst in die Embryos im Einzellstadium eingeschleust wurden, entstanden Nachkommen mit Mosaikzellen“, erklären die Forscher. Dabei tragen einige Zellen des Embryos das reparierte Gen, andere dagegen nicht.

Die neue Gentherapie hat noch eine Besonderheit: Im Gegensatz zu den meisten gängigen Genreparaturen sollte die Genschere nur die defekten vier Genbuchstaben im Chromosom des Spermiums ausschneiden, nicht aber aktiv eine korrekte Version einfügen. Stattdessen überließen die Forscher dies den zelleigenen DNA-Reparaturmechanismen. Diese sind von Natur aus darauf ausgelegt, Defekte in der DNA zu flicken. Zur Überraschung der Wissenschaftler geschah dies deutlich effizienter und auf andere Weise als sie erwartet hatten. Denn die frisch befruchtete Eizelle nutzte einfach ihre eigene intakte Genkopie als Vorbild für die neu in den DNA-Strang des Spermiengenoms eingefügten Genbuchstaben.

Überraschend effektiv und treffsicher

Das Resultat: Die Genschere hatte bei allen Embryos zielgenau die defekte DNA-Sequenz herausgeschnitten – ihre Trefferquote lag bei 100 Prozent, wie die Forscher berichten. Die zelleigenen Reparaturmechanismen hatten dann bei 42 der 58 Embryos den Gendefekt korrekt repariert, dies entspricht 72,2 Prozent. Ohne die Genbehandlung hätte die Hälfte der Embryos das defekte Gen bekommen. DNA-Analysen zeigten zudem, dass es in diesen Zellen keinerlei weitere, unerwünschte Genveränderungen gab. Bei den restlichen Embryos waren zwar die DNA-Stränge auch repariert, aber weil die Zelle einen anderen Reparaturmechanismus nutzte, hinterließ sie unerwünschte Einfügungen oder Auslassungen an der Reparaturstelle.

„Unsere Ergebnisse demonstrieren damit das große Potenzial einer Gentherapie am Embryo“, konstatiert Koautor Juan Carlos Izpisua Belmonte vom Salk Institute for Biological Studies. „Dank der Fortschritte in Gentechnik und Stammzelltechnologie können wir nun endlich beginnen, krankmachenden Mutationen anzugehen, unter denen Millionen von Menschen leiden.“ Bei allem Optimismus betonen die Forscher jedoch auch, dass es bis zu einer Anwendung solcher Therapien bei Patienten noch ein weiter Weg ist. Denn die Unbedenklichkeit der Methode müsse erst noch in weiteren Studien mit anderen Mutationen überprüft werden. „Die Gentherapie steckt noch in den Kinderschuhen, obwohl dieser vorläufige Versuch sich als sicher und effektiv erweisen hat“, so Belmonte. „Dennoch ist es entscheidend, dass wir mit der größten Vorsicht fortfahren und dabei ethischen Überlegungen größte Aufmerksamkeit schenken.“

Quelle:

© wissenschaft.de – Nadja Podbregar
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