Wann immer es um Designerbabys geht, wird die unheimliche Welt des Filmes Gattaca heraufbeschworen. Er zeigt eine Gesellschaft, in der nahezu alle Menschen bereits bei der Befruchtung auf genetische Perfektion hin selektiert wurden. Wessen Erbgut mit Makeln behaftet ist, weil er auf natürlichem Wege gezeugt wurde, zählt dort zur Unterschicht. Wohlstand und Erfolg bleiben diesen „Gotteskindern“ versagt. Die Angst vor einer solchen Welt sorgt für hitzige Debatten um Technologien wie die Präimplantationsdiagnostik. Sie darf in Deutschland lediglich eingesetzt werden, um bei einer künstlichen Befruchtung Embryonen mit schweren Erbkrankheiten zu identifizieren.
Den passenden Samenspender fürs Designerkind
Die medizinischen Möglichkeiten, der Natur ins Handwerk zu pfuschen, sind jedoch wesentlich umfangreicher. Welche davon wir nutzen sollten, ist eine Diskussion um Ethik und Moral, die ein gerade erteiltes Patent der US-Firma 23andMe neu befeuern dürfte. Das Unternehmen verdient sein Geld damit, das Erbgut seiner Kunden nach einer Vielzahl von Eigenschaften und Risikofaktoren zu durchkämmen. Das Patent, das die Firma bereits im Jahre 2009 beantragt hatte, beschreibt ein Computerprogramm, das anhand genetischer Informationen der Eltern die wahrscheinlichen Eigenschaften des Kindes ermittelt. Die Technik kommt bereits im „Family Traits Inheritance Calculator“ des Unternehmens zum Einsatz. Hier können sich Paare vorrechnen lassen, mit welcher Wahrscheinlichkeit ihr ungeborenes Kind feuchten Ohrenschmalz haben oder laktoseintolerant sein wird.
Der Patentantrag geht jedoch über diese Spielerei hinaus. Er enthält als Beispiel für eine mögliche Anwendung ein Formular, in dem Menschen mit Kinderwunsch ankreuzen können, ob sie gern ein Kind mit grünen, blauen oder braunen Augen hätten; eines, das möglichst alt wird oder möglichst niedrige Arztrechnungen zahlen muss; eines, das rote Wangen bekommt, wenn es Alkohol trinkt oder nicht. Wer auf der Suche nach einem Samenspender oder einer Eizellen-Spenderin ist, kann sich anhand dieser Wunschliste denjenigen Partner aussuchen, dessen Gene das bestmögliche Ergebnis versprechen.
Eine Gefahr für den Ruf der Genforschung
Das Management von 23andMe ahnte wohl, welchen Sturm der Entrüstung das auslösen könnte – und beeilte sich im Firmenblog zu erklären: „Als 23andMe den Antrag für dieses Patent einreichte, gab es Überlegungen, dass diese Technologie potenzielle Anwendungen für Fruchtbarkeitskliniken haben könnte.“ Aber: „Die Firma hat die Konzepte, die in diesem Patent diskutiert werden, nie über den ‚Family Trait Inheritance Calculator‘ hinaus verfolgt, und hat auch nicht die Absicht, dies zu tun.“
Wie genau eine solche Wunschliste tatsächlich erfüllt werden kann, ist ohnehin fraglich. Alle phenotypischen Merkmale zu treffen sei „eine unmögliche Aufgabe“, schreiben Sigrid Sterckx von der Universität Gent und ihre Kollegen in einem Kommentar für die Fachzeitschrift „Genetics in Medicine“. Für viele Eigenschaften sind nach wie vor nicht alle beteiligten Gene und ihre jeweilige Rolle identifiziert. Selbst scheinbar simple Merkmale wie die Größe eines Menschen lassen sich nicht allein durch einen Blick ins Erbgut ausmachen.
Die Forscher werfen noch weitere Fragen auf. Etwa, ob Software für das „Design“ eines menschlichen Babys aus ethischer Sicht überhaupt geeignet sei, patentiert zu werden – eine Frage, die der zuständige Gutachter des Patentamtes gar nicht erst geprüft habe. Im US-Patentsystem gab es in der Vergangenheit erst wenige Fälle, in denen Anträge auf Grund ihrer moralischen Verwerflichkeit abgelehnt wurden – einer davon betraf die Schaffung einer Chimäre aus Mensch und Tier.
Schließlich wundern die Wissenschaftler sich in ihrem Kommentar, dass 23andMe das Patent beantragt hat, ohne den Dialog mit der Öffentlichkeit zu suchen – insbesondere, da das Unternehmen als Anbieter von Genanalysen ganz besonders auf das Vertrauen seiner Kunden angewiesen ist. Sterckx und Co fürchten jedenfalls, dass solche Aktionen dem Ansehen genetischer Forschung schaden könnten. „Öffentliches Vertrauen ist von zentraler Bedeutung für den andauernden Erfolg der humangenetischen Forschung im Allgemeinen und der Forschung mit biologischen Datenbanken im Besonderen“, schreiben sie. „Wir bitten alle, die humangenetische Forschung betreiben, eindringlich um maximale Transparenz.“