Die meisten assoziieren den Eukalyptusbaum mit Australien und den Koalas. Das ist prinzipiell auch nicht verkehrt, stellt dieser Baum doch 70 Prozent aller Bäume auf dem fünften Kontinent. Aber mit seinen rund 700 Arten ist der immergrüne Eukalyptus längst nicht mehr auf seine ursprüngliche Heimat oder die Tropen beschränkt, sondern wächst fast überall – und das sehr schnell und teilweise sehr hoch. Eine Eukalyptusart gilt sogar als der Laubbaum mit der größten Höhe, dieser Riesen-Eukalyptus soll bis zu 95 Meter hoch werden. Weil der Eukalyptus schnell wächst, viel Zellulose enthält und sich gut an unterschiedlichste Umweltbedingungen anpasst, wird er inzwischen auf sechs Kontinenten und in rund 100 Ländern angebaut. Er ist Lieferant für ätherische Öle, für Zellulose und nachwachsender Rohstoff für die Energieerzeugung.
Doppelte Gene und Erfolgsgeheimnisse
Um das Erbgut dieses vielseitigen Baumes zu entschlüsseln, benötigte das internationale Team von 80 Forschern aus 16 Ländern fünf Jahre. Jetzt ist es soweit: Immerhin 94 Prozent der 640 Millionen Basenpaare und mehr als 36.000 Gene des Eukalyptus (Eucalyptus grandis) sind sequenziert. Die DNA-Analysen liefern nun wertvolle Einblicke in die Evolution des Eukalyptus und vor allem in die Gene, die seine so vielseitigen Eigenschaften prägen. Und tatsächlich weist das Erbgut des Baumes einige Besonderheiten auf: So enthält es ungewöhnliche viele doppelt vorliegende Gene. “Von den kodierenden Genen kommen 34 Prozent in Tandem-Verdopplungen vor – das ist mehr als bei jedem anderen bekannte Pflanzengenom”, berichten Alexander Myburg von der University of Pretoria und seine Kollegen. Aus den Genanalysen schließen die Forscher, dass diese Verdopplung sich vor rund 110 Millionen Jahren ereignet haben muss – zu der Zeit, als sich Australien und Antarktis vom Rest des urzeitlichen Südkontinents Gondwana abzutrennen begannen. Diese Trennung und die Genverdopplung könnte daher entscheidend für die Evolution der Myrtengewächse gewesen sein – der Familie, zu der auch die Eukalyptusbäume gehören.
Von ganz praktischem Nutzen könnten zwei weitere Funde der Genforscher sein: Zum einen enthält der Eukalyptus besonders viele Gene, die die Produktion von Terpenoiden steuern. Diese chemischen Stoffe bilden die Grundlage der meisten ätherischen Öle und chemischen Abwehrstoffe des Baums gegen Insekten und Krankheitserreger. Sie zu kennen, könnte dabei helfen, die natürliche Produktion dieser für die Medizin und Landwirtschaft nützlichen Substanzen zu optimieren, sagen die Forscher. Zum anderen liefert die Genanalyse auch wertvolle Informationen dazu, warum der Eukalyptus so schnell und effektiv Zellulose produziert und ansammelt. Die Forscher entschlüsselten unter anderem die Gene für 18 enzymatische Schritte, über die Baum Zellulose und Hemizellulose produziert. “Dies eröffnet neue Möglichkeiten, das Wachstum und die Holzqualität dieses nachwachsenden Rohstoffs zu verstehen und zu verbessern”, erklärt Koautor Dario Grattapaglia von der Katholischen Universität Brasilia.
“Die einzigartige Biologie und evolutionäre Geschichte des Eukalyptus spiegelt sich in seinem Erbgut wider”, konstatieren Myburg und seine Kollegen. Die Gene beleuchten unter anderem, wie der Baum im Laufe seiner Entwicklungsgeschichte seine besonders potente Abwehr gegenüber Schädlingen bekam, aber auch seine Fähigkeit, besonders schnell zu wachsen. Weitere vergleichende Analysen des Eucalyptus grandis-Genoms mit dem von anderen immergrünen Bäumen könnten zudem erklären, was diese Bäume so erfolgreich machte, dass sie heute die australische Baumwelt absolut dominieren.