Die Forscher um Joseph Mougous von University of Washington in Seattle sind bereits seit einiger Zeit den Gift-Waffen von Bakterien auf der Spur. Für die Produktion der Substanzen sind bestimmte Erbanlagen in den Mikroben verantwortlich. Um neue Varianten dieser Toxin-Gene aufzuspüren, stöberten die Forscher in genetischen Datenbanken, die neben Erbanlagen von vielen Bakterienarten auch Gensequenzen vieler anderer Lebewesen umfassen. „Wir waren sehr überrascht, als wir bei unseren Recherchen in den Genomdatenbanken typisch bakterielle Toxin-Gene bei einigen Tieren fanden“, berichtet Team-Mitglied Matt Daugherty. „Das weckte natürlich unsere Neugier“.
Durch genetische Nachweismethoden konnten die Forscher dann schließlich zeigen: Die Toxin-Gene im Erbgut der sechs Tierarten stammten tatsächlich ursprünglich einmal von Bakterien. Sie sind demnach irgendwann durch einen Gentransfer vom Erbgut der Mikroben in das Genom der Tiere übergegangen. Unter Bakterien ist solch ein genetischer Austausch nichts Ungewöhnliches, doch der Sprung ins Erbgut von höheren Organismen ist bisher nur sehr selten dokumentiert worden.
Zecken, Gentransfer und die Lyme-Borreliose
Unter den Tieren, bei denen die Forscher bakterielle Toxin-Gene im Erbgut nachweisen konnten, war auch ein berüchtigter Krankheitsüberträger: die Zecke. Denn die Blutsauger können bei einem Stich ihre Opfer mit Lyme-Borreliose infizieren. Diese Erkrankung wird durch ein Bakterium verursacht, das in ihrem Darm und der Speichelflüssigkeit haust. Mancherorts sind bis zu 35 Prozent der Zecken betroffen. Für die Tiere selbst ist der Bakterienbefall dabei kein Problem. „So ergab sich die Frage, ob das Toxin möglicherweise die Entwicklung der Borrelien in der Zecke beeinflusst“, sag Co-Autor Seemay Chou.
Um dieser Fährte nachzugehen, untersuchten die Forscher zunächst, ob Zecken die Toxin-Gene überhaupt zu Giftstoff umsetzen. Ergebnis: Die Substanz sammelt sich tatsächlich in Darm und Speichel der Krabbler an. Doch welche Funktion hat sie hier? Um diese Frage zu beantworten, entwickelten die Wissenschaftler genetisch veränderte Zecken, die das Toxin nicht mehr bilden konnten. Tests mit diesen Tieren ergaben: In ihnen entwickeln sich deutlich mehr Borreliose-Erreger als in normalen Zecken. Daraus folgerten die Forscher, dass Zecken den Wirkstoff benötigen, um die übermäßige Vermehrung der Bakterien in ihrem Körper zu verhindern.
„Wir wollen nun durch weitere Untersuchungen herausfinden, welche Rolle die Toxine konkret bei der Übertragung von Borreliose spielen“, sagt Chou. Außerdem suchen die die Forscher nun nach weiteren Tierarten, die sich am Waffenarsenal von Bakterien bedient haben. „Es würde mich nicht wundern, wenn wir noch mehr Fälle von horizontalem Gentransfer aufdecken würden“, so der Forscher.