Die moderne Gentechnik hat sich Strategien angeeignet, die die Evolution schon lange hervorgebracht hat: In den Laboren kommen Bakterien zum Einsatz, die auch unter natürlichen Bedingungen Erbgutübertragungen durchführen. Diese sogenannten Agrobakterien schleusen einen speziellen Abschnitt ihrer DNA in das Genom bestimmter Zellen ihrer Wirtspflanzen ein. Diese natürliche Genmanipulation verursacht am Befallsort eine Wucherung, die Substanzen produziert, von denen sich die Bakterien ernähren. Dieses Konzept machen sich die Gentechniker im Labor gezielten zu Nutze: Sie bauen in den von den Agrobakterein übertragen Genabschnitt diejenigen Gene ein, die sie in eine Zielpflanze einschleusen wollen.
Erbgutmanipulation ist keine Erfindung der Gentechnik
Nach erfolgreicher Übertragung bildet sich ein transgenes Zellmaterial, aus dem die Gentechniker durch aufwendige Labormethoden anschließend vollständige Pflanzen generieren können. Sie tragen dann in allen ihren Zellen das transferierte Erbgut. Bisher ging man davon aus, dass genau das bei der natürlichen Genmanipulation der Agrobakterien an ihren Wirtspflanzen nicht passiert. Die Bakteriengene bleiben normalerweise in den Zellen des Befallsorts und werden nicht an die nächste Generation der Wirtspflanze weitergegeben.
Doch die aktuellen Ergebnisse der Forscher um Tina Kyndt von der Universität Ghent belegen, dass es in der Entwicklungsgeschichte der Süßkartoffel offenbar doch zu einem permanenten Einbau der Bakteriengene gekommen ist: Die Forscher fanden im Erbgut der verschiedenen Kulturformen der Süßkartoffel (Ipomoea batatas) sowie in einigen ihrer Wildformen genetisches Material von Agrobakterien. Im Fall der Kulturformen konnten sie auch zeigen, dass dieses bakterielle Erbgut in den Pflanzen aktiv ist. Es handelt sich ihnen zufolge um Gene, die Pflanzenhormone hervorbringen oder die Empfindlichkeit gegenüber diesen Wachstumsregulatoren erhöhen.
Seit Jahrtausenden essen Menschen transgene Süßkartoffeln
Kyndt und ihre Kollegen vermuten, dass die einst natürlicherweise übertragenen Gene den kultivierten Sorten der Süßkartoffel positive Eigenschaften für den Anbau verschafft haben könnten. Möglicherweise wurden diese Pflanzen deshalb auch bei der Zucht bevorzugt weitervermehrt. Klar sei aber auf jeden Fall: Seit Jahrtausenden essen Menschen eine natürliche transgene Pflanze, sagen die Forscher. Ihnen zufolge verdeutlichen ihre Ergebnisse, dass Gentransfer nicht so unnatürlich ist, wie immer behauptet wird. Ob dies allerdings als ein befürwortenden Argument in der kontroversen Diskussion um die grüne Gentechnik gelten kann, bleibt Ansichtssache.