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Genetischer Blick in die Biergeschichte

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Genetischer Blick in die Biergeschichte
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Mehr als 90 Prozent aler Biere auf dem Weltmarkt sind untergärige Biere (givaga/ thinkstock)
Ob Pils, Schwarzbier oder Märzen: Die meisten heute verkauften Biere gehören zu den untergärigen Sorten. Damit jedoch verdanken sie ihre Entstehung einer schicksalhaften und ziemlich unwahrscheinlichen Begegnung. Denn erst die Kreuzung der seit Jahrtausenden kultivierten Bierhefe mit einer aus Patagonien stammenden Art ermöglichte vor rund 500 Jahren die Erfindung des Lagerbieres. Jetzt haben Forscher erstmals das Genom dieser wilden Hefeart in hoher Auflösung sequenziert – und dabei einiges über die Geschichte der Braukunst herausgefunden.

Ob die alten Sumerer, die Gallier oder die Mönche des Mittelalters – Bier ist schon seit Jahrtausenden ein beliebtes Getränk. Seinen typischen Geschmack erhält das Gebräu aus Malz, Hopfen und Wasser durch die Vergärung mit Hefe. Ursprünglich kannte man dafür nur die Bierhefe Saccharomyces cerevisiae, die bei Raumtemperatur gärt und im Brauprozess nach oben steigt – man spricht deshalb von obergärigem Bier. Doch im 15. Jahrhundert bemerkten Bierbrauer in Bayern, dass Bier, das sie den Winter über in kühlen Felsenkellern gelagert hatten, trotz der Kälte einfach weitergärte. Außerdem setzte sich dabei Hefe unten in der Flüssigkeit ab statt oben und das Bier schmeckte anders als bei den herkömmlichen Sorten. Damit war die Kunst des untergärigen Brauens geboren und es entstanden die milden Biersorten, die heute 94 Prozent des Weltmarkts ausmachen – vom Pils über das Bockbier und Schwarzbier bis zum Märzen oder Porter.

Heute weiß man, dass die untergärigen Biere von einer Hefe produziert werden, die durch Kreuzung der Bierhefe mit einer Wildart entstand. Diese jedoch stammte nicht etwa aus Mitteleuropa, sondern vom anderen Ende der Welt: Wie Forscher 2011 entdeckten, handelt es sich bei der eingekreuzten Art um die in Patagonien heimische Hefe Saccharomyces eubayanus. Sie muss im 15. Jahrhundert von frühen Seefahrern nach Europa eingeschleppt worden sein – möglicherweise in Holzstücken oder im Bauch von Fruchtfliegen. In den Bierkellern Mitteleuropas verschmolz sie dann mit der hiesigen Bierhefe und die heute bekannten untergärigen Hefestämme entstanden. Doch ob diese Hybridbildung einmal geschah oder ob es mehrfach zu dieser Artkreuzung kam, war bis heute umstritten.

Mindestens zwei Kreuzungen

Emily Clare Baker von der University of Wisconsin-Madison und ihre Kollegen haben diese Frage nun geklärt, indem sie erstmals das Erbgut der patagonischen Hefe S. eubayanus in hoher Qualität komplett entschlüsselten. Dadurch konnten sie dessen Genom mit den beiden heute bekannten domestizierten Stämmen der untergärigen Hefe vergleichen. Dies wiederum ermöglichte Rückschlüsse darauf, ob alle untergärigen Hefen aus nur einer Kreuzung von S. eubayanus und S. cerevisiae hervorgingen oder aber ob sie mehrfach unabhängig voneinander verschmolzen.

Das Ergebnis: „Die untergärigen Hefen entstanden nicht nur einmal“, berichtet Koautor Chris Hittinger von der University of Wisconsin-Madison. „Die unwahrscheinliche Hochzeit dieser beiden Arten, die genetisch so weit voneinander entfernt sind wie Menschen und Vögel, ereignete sich stattdessen mindestens zweimal.“ Denn in der DNA der beiden heutigen untergärigen Stämme finden sich jeweils unterschiedliche Anteile des Erbguts von S. eubayanus. „Diese Unterschiede lassen sich nicht mit nur 500 Jahren getrennter Entwicklung seit ihrer Entstehung erklären“, so die Forscher. Stattdessen traf die patagonische Hefe in Mitteleuropa auf mindestens zwei leicht unterschiedliche Bierhefe Varianten und bildete so die untergärigen Hefestämme. Die jahrhundertelange Domestikation sorgte dann dafür, dass sich bestimmte Gene im Laufe der Zeit veränderten, darunter vor allem Abschnitte, die die Fermentation, die Verarbeitung von Alkohol und den Zuckerstoffwechsel der Hefen regulieren. „Das zeigt, wie diese industriell wichtigen Hybriden dann in eine ähnliche Richtung domestiziert wurden“, sagen Baker und ihre Kollegen.

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Quelle:

© wissenschaft.de – Nadja Podbregar
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