Schätzungen zufolge sind bis zu 2,8 Prozent aller Kinder unter zwei Jahren von einer Kuhmilchallergie betroffen, die aber in vielen Fällen wieder verschwindet. Im Erwachsenenalter leiden noch etwa 1,2 Prozent der Menschen unter dieser Lebensmittelallergie. Die Symptome können mild bis ausgeprägt sein und die Haut, Verdauung, den Atemtrakt und das Herzkreislaufsystem betreffen. Da sich in vielen Nahrungsmitteln Milchprodukte verbergen, ist die Ernährung für empfindliche Kuhmilchallergiker eine komplizierte Angelegenheit.
In den meisten Fällen reagiert das Immunsystem der Betroffenen auf das sogenannte beta-Laktoglobulin (BLG) in der Milch. Diesen Eiweißstoff gibt es in menschlicher Milch nicht, vermutlich ist er deshalb ein häufiger Allergieauslöser. Jetzt haben die Forscher um Anower Jabed das Problem an der Wurzel gepackt: Für jedes Eiweiß, das in einem Organismus gebildet wird, gibt es eine entsprechende Erbinformationen, die dessen Bauplan trägt. Im Fall von BLG ist das zuständige Gen in den Zellen der Milchdrüsen von Kühen aktiv, nur dort wird die darin enthaltene Information für den Bau des Eiweißes genutzt. Um diesen Prozess zu blockieren, nutzten die Forscher ein gentechnisches Verfahren namens RNA-Interferenz (RNAi). Dabei wird eine ?störende? DNA-Sequenz ins Erbgut eingebaut, die gezielt verhindert, dass eine bestimmte genetische Information in ein Protein umgewandelt wird.
Von der Testmaus zur hypoallergenen Kuh
Zuerst testeten die Genetiker das Konzept an einer speziellen Zuchtlinie von Mäusen, die in ihren Milchdrüsen BLG produzieren. Nachdem die Forscher das RNAi-Konstrukt in das Erbgut der Mäuse eingebaut hatten, enthielt die Milch der Nager kein BLG mehr. Nach diesem Erfolg gingen sie zum eigentlichen Ziel über: das Ausmerzen des Allergiestoffes in der Milch einer Kuh. So entstand ein gentechnisch verändertes weibliches Rind, das in seinem Erbgut das RNAi-Konstrukt zum Ausschalten von BLG trug.
Analysen belegen den Erfolg der Strategie: Die Milchdrüsen des Tieres produzierten tatsächlich kein BLG mehr. Die Beseitigung dieses Eiweißes hatte darüber hinaus auch noch einen weiteren positiven Nebeneffekt, berichten die Forscher. Die Milch besaß einen höheren Gehalt an anderen Eiweißstoffen, die Bestandteile des sogenannten Kaseins sind. Es besitzt einen hohen Ernährungswert und ist beispielsweise für die Käseproduktion wichtig. Die Forscher sehen in ihren Ergebnissen den Beweis, dass sich die Inhaltsstoffe von Milch auf gentechnischem Wege verbessern lassen. Zukünftige Studien sollen die Eigenschaften der Gentech-Milch genauer untersuchen und auch unerwünschte Effekte aufdecken. Ob sich Milchprodukte von Kühen aus Genlaboren allerdings beim Verbraucher durchsetzen können, bleibt fraglich.