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Kleine Dosis, großer Effekt

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Kleine Dosis, großer Effekt
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Untersuchen, kämpfen, vermehren: In der ungewöhnlichen Versuchsanordnung verhalten sich die Mäuse fast wie in freier Wildbahn.
Zu viel Zucker ist nicht gesund – das ist mittlerweile schon fast so etwas wie eine Binsenweisheit. Er macht dick, stört den Zuckerstoffwechsel des Körpers und beeinflusst zusätzlich verschiedene andere Stoffwechselwege, insbesondere den, über den Fette verarbeitet werden. Bleibt die Frage: Wie viel Zucker ist denn nun eigentlich zu viel? Eine neue Studie mit Mäusen liefert nun einen überraschenden – und leicht erschreckenden – Hinweis: Möglicherweise ist der süße Zusatz schon in Mengen problematisch, die bisher als sicher galten.

Mäuse sind ebenso wie Menschen biologisch gesehen Säugetiere. Zudem leben sie seit Urzeiten mit dem Menschen zusammen und sind demnach an einen ähnlichen Speiseplan gewöhnt. Da sie außerdem leicht zu züchten und zu halten sind, gehören sie zu den Lieblingsmodellorganismen von Biologen, an denen sich eigentlich fast alles untersuchen lässt. Allerdings ist dieser Ansatz nicht ganz unumstritten: „Mäuse lügen“, sind beispielsweise viele Forscher überzeugt – sie halten es für nahezu unmöglich, Funde an den Nagern auf den Menschen zu übertragen.

Abgesehen von den anatomischen Unterschieden gibt es dabei vor allem zwei Kritikpunkte: Die Labormäuse haben meist viele Generationen Inzucht hinter sich, damit alle Tiere möglichst gleich reagieren. Und sie haben nie gelernt, sich in einer natürlichen Umgebung zu behaupten – auch die meisten Experimente finden unter völlig unnatürlichen Bedingungen statt. Das ist ausreichend, so lange man ausschließlich biologische Mechanismen aufklären möchte. Geht es jedoch um die Auswirkungen bestimmter Faktoren wie beispielsweise ihre Ernährung oder potenzielle Giftstoffe auf Leben und Gesundheit der Tiere, könne dieser Ansatz einfach nicht ausreichen, um wirklich belastbare Ergebnisse zu erhalten, erläutern James Ruff von der University of Utah und sein Team.

Neue Wege, bessere Bedingungen

Die Forscher haben daher bei ihrer aktuellen Untersuchung vieles anders gemacht als ihre Kollegen. Denn sie wollten wissen, was passiert, wenn Mäuse mehr Zucker als üblich fressen – und zwar nicht in den großen Mengen, die normalerweise in Mäuse-Experimenten eingesetzt werden, denn liegen weit jenseits dessen, was ein Mensch normalerweise zu sich nimmt. Das Team entschied sich vielmehr für eine Menge, die für viele Menschen völlig alltäglich ist: Ein Viertel der Kalorien ihrer Testmäuse stammte aus zugesetztem Zucker, und zwar je zur Hälfte aus Glukose und aus Fruktose, wie es auch in vielen industriell hergestellten Lebensmitteln der Fall ist. Im Endeffekt bekamen die Tiere also das Pendant einer gesunden, ausgewogenen Ernährung plus drei Dosen Limonade täglich, erläutert das Team.

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Auch bei der Auswahl ihrer Mäuse gingen die Wissenschaftler nicht den üblichen Weg: Sie setzten auf herkömmliche Hausmäuse statt auf die überzüchteten Labortiere. Im Gegensatz zu letzteren wetteifern diese Tiere ständig um Nahrung, Territorien und Partner – ein Verhalten, das sich auch in der Natur beobachten lässt. Damit diese Besonderheit auch während der Experimente erhalten blieb, durften die Nager ihre beengten Käfige gegen eine Behausung austauschen, die von den Forschern scherzhaft „Mäuse-Scheune“ genannt wird: Es handelte sich um einen 35 Quadratmeter großen Raum, der in verschiedene Bereiche mit jeweils einer Nistbox eingeteilt ist. Abgeteilt sind die Bereiche mit Maschendraht, über den die Mäuse problemlos klettern können.

Der Clou dabei: Einige der Bereiche sind begehrter als andere, denn ihre Nistboxen sind exakt so, wie Mäuse es lieben – dunkel, mit einem schmalen Eingang und einem optimalen Zugang zu Futter und Wasser. Andere sind eher nicht so großartig: Hier müssen die Tiere ihre Jungen auf einer Art offenen Plattform zur Welt bringen. Mit diesem Prinzip, erläutern die Forscher, lässt sich prima überprüfen, wie dominant einzelne Tiere sind und wie gut sie sich gegen ihre Artgenossen behaupten können.

Zucker gegen Kontrolle: 0:1

Für das eigentliche Experiment teilten die Biologen dann ihre 156 Startmäuse in zwei Gruppen ein: eine bekam das zuckrige Futter, die andere die gleiche Nahrung ohne den Zuckerzusatz. Nach 26 Wochen in ihren normalen Käfigen folgte dann der Umzug in die Scheunen, wobei beide Gruppen sozusagen gegeneinander antraten. Die Wissenschaftler beobachteten die Tiere dann weitere 32 Wochen in ihrem neuen Zuhause. Die Idee dahinter: Wenn sich in der Vorbereitungsphase irgendwelche körperlichen Nachteile bei einer der Gruppen gebildet haben, sollte sich das im Verhalten und im Erfolg der betroffenen Tiere zeigen.

Und das tat es tatsächlich – und zwar dramatischer, als die Forscher erwartet hatten. So lag die Todesrate unter den Zucker-Weibchen deutlich höher als unter denen aus der normalen Gruppe. 35 Prozent aus der Zuckergruppe starben während der Beobachtungsphase, bei der Kontrollgruppe waren es nur 17 Prozent. Bei den Männchen gab es zwar nicht mehr Tote, doch der Zuckergruppe mangelte es im Vergleich deutlich an Nachwuchs – sie zeugte 25 Prozent weniger Nachkommen. Auch konnten sich diese Männchen offensichtlich schlechter behaupten: Sie eroberten ein Viertel weniger Territorien als ihre Geschlechtsgenossen aus der zuckerfreien Gruppe.
 
Erstaunlicherweise zeigten sich diese Effekte, obwohl die Tiere aus der Zuckergruppe nicht etwa dicker und behäbiger waren als die anderen, berichtet das Team. Zwar gab es ein paar wenige abweichende Körperwerte, etwa erhöhte Cholesterinspiegel und bei den Weibchen ein leicht veränderter Zuckerwert, insgesamt fielen diese Veränderungen aber eher schwach aus. Das Resümee der Wissenschaftler fällt demnach ziemlich drastisch aus: Offenbar wirke der Zucker toxisch auf den Organismus, und zwar bereits in Mengen, die für die menschliche Ernährung als unbedenklich eingestuft werden. Jetzt müsse getestet werden, welche biologischen Mechanismen diese Probleme hervorrufen – dann könne man direkt prüfen, ob es beim Menschen die gleichen Effekte gibt, empfiehlt das Team.

Quelle:

© wissenschaft.de – Ilka Lehnen-Beyel
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