Eine Handvoll Mensch, angeschlossen an Schläuche und gestochen von Kanülen: Um einem Frühchen ins Leben zu helfen, ist Intensivmedizin nötig ? doch die tut weh. Nun haben US-Forscher gezeigt, dass dieser Schmerz im Körper des Kindes oxidativen Stress erzeugt, also die Bildung aggressiver freier Radikale und anderer Teilchen verstärkt. Dieses Ergebnis ist in zweierlei Hinsicht interessant, sagt das Team: Zum einen könnte die Entdeckung helfen, Testverfahren zu entwickeln, mit denen sich die Schmerzbelastung der Kleinen besser überwachen lässt. Und zum anderen zeigt es, dass der Einsatz von schmerzlindernden Maßnahmen nicht nur den Seelen der Kinder gut tut, sondern auch die Belastung durch die potenziell schädlichen Radikale verringern kann.
Die Forscher um Laurel Slater von der Loma Linda University School of Medicine in Kalifornien haben für die Studie 80 Frühgeborene untersucht. Regelmäßig müssen bei den Kleinen standardmäßig Venenzugänge gewechselt werden, die mit Klebeband auf der Haut befestigt sind. Bei der Hälfte der Frühchen nahmen die Forscher Blutproben direkt vor und nach dem schmerzhaften Entfernen der Gefäßkatheter. Die anderen dienten als Kontrollgruppe: Bei ihnen erfolgte die Blutabnahme nicht im Zusammenhang mit der Prozedur. Bei den Katheterwechseln führten die Forscher außerdem eine Einschätzung des Schmerzes anhand des sogenannten ?premature infant pain profile? (PIPP) durch. Diese Methode bewertet den Schmerz anhand von Änderungen in Gesichtsausdruck, Blutdruck und Sauerstoffsättigung im Blut.
Wenn es weh tut, entstehen Sauerstoffradikale
Die Auswertungen der Ergebnisse des PIPP dokumentierten eindeutig, wie weh das Entfernen des Klebebandes und des Gefäßkatheters den Kleinen tut. Die Vergleiche der Blutuntersuchungen dokumentierten darüber hinaus, dass dieser Effekt mit oxidativem Stress im Körper der Frühchen einhergeht: Durch die schmerzhafte Prozedur erhöhten sich entsprechende Marker im Blut der Kleinen nachhaltig.
Oxidativer Stress führt zur Bildung von Sauerstoffradikalen und anderen reaktiven Teilchen, die zu Gewebeschäden führen können. Welche Folgen das in einem so empfindlichen Organismus haben kann, bleibt noch ungewiss. Klar ist aber, dass Frühchen mehrfach am Tag schmerzhafte Behandlungen über sich ergehen lassen müssen. Somit ist die entsprechende Dauerbelastung durch Sauerstoffradikale bedenklich, sagen die Forscher. Die Überprüfung des oxidativen Stresses im Körper der Frühchen könnte allerdings auch als indirekte Nachweismethode für die Schmerzbelastung dienen, sagen sie. So könnte ihre Methode zukünftig vielleicht helfen, den stillen Schmerz und seine Folgen zu lindern.
Laurel Slater (Loma Linda University School of Medicine, Kalifornien) et al.: The Journal of Pain, Vol 13, No 6 (June), 2012: pp 590-597 © wissenschaft.de –
Martin Vieweg