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Was dem Reizdarm den Reiz nimmt

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Was dem Reizdarm den Reiz nimmt
Die Einnahme eines Antibiotikums kann die Symptome des Reizdarmsyndroms zumindest bei einigen Betroffenen effektiv und vor allem dauerhaft lindern: Die Patienten fühlen sich auch mehrere Wochen nach Beendigung der Therapie noch deutlich besser als vor der Behandlung, haben US-amerikanische Mediziner nachgewiesen. Das Ergebnis bestätigt ihrer Ansicht nach die bereits früher aufgestellte These, dass eine veränderte Darmflora eine der Ursachen für die Blähungen, den Durchfall und die Bauchschmerzen beim Reizdarmsyndrom ist. Das von ihnen verwendete Breitbandantibiotikum Rifaximin scheint die Zusammensetzung und Anzahl der Mikroorganismen im Darm der Patienten so zu verändern, dass sich deren Darmtätigkeit sich normalisiert. Es wird normalerweise bei Durchfallerkrankungen eingesetzt und hat den Vorteil, dass es lediglich im Darm wirkt und praktisch nicht in den Blutkreislauf übergeht, berichten Mark Pimentel vom Cedars-Sinai Medical Center in Los Angeles und seine Kollegen.

Menschen mit Reizdarmsyndrom leiden unter Schmerzen und Unwohlsein im Bauchraum sowie meist einem veränderten Stuhlgang. Trotzdem finden sich meist weder sichtbare Veränderungen des Darmgewebes noch ein biochemisches Ungleichgewicht bei den Betroffenen. Warum die Patienten erkranken, ist daher nach wie vor unklar. In der Diskussion sind eine veränderte Beweglichkeit des Darms, fehlgeleitete Immunreaktionen oder psychische beziehungsweise psychosomatische Ursachen. Dementsprechend werden als Gegenmaßnahmen bisher unter anderem bestimmte Diäten mit vielen Ballaststoffen, Antidepressiva oder auch Psychotherapien verordnet. Medikamente wie Abführmittel lindern zwar manchmal die Symptome, bekämpfen jedoch nicht die Ursache.

Mark Pimentel und seine Kollegen hatten bereits in früheren Studien einen Zusammenhang zwischen dem Auftreten von Blähungen – einem der häufigsten Symptome bei Reizdarmsyndrom – und einer überdurchschnittlich starken Besiedelung des Dünndarms mit Bakterien entdeckt. Sie vermuteten daher, dass ein Breitbandantibiotikum diese Bakterien bekämpfen und so für eine Beruhigung des gereizten Darms sorgen könnte. Für ihre aktuelle Studie wählten sie als Testantibiotikum Rifaximin, das vom Körper kaum aufgenommen wird. Zudem sind – bisher – nur sehr wenige Mikroben resistent gegen das Medikament, das in Deutschland gegen Durchfallerkrankungen zugelassen ist.

In der Studie erhielt die Hälfte von rund 1.200 Patienten mit Reizdarmsyndrom das Medikament, die andere Hälfte zum Vergleich ein wirkstofffreies Placebo. Dreimal täglich über zwei Wochen mussten die Versuchsteilnehmer ihre Tablette einnehmen und wurden nicht nur während dieser Zeit, sondern auch noch zehn Wochen danach täglich nach ihrem Befinden befragt. Etwa vierzig Prozent der Patienten, die das Antibiotikum einnahmen, berichteten auch nach vier Wochen noch über eine deutliche Linderung von Symptomen wie Blähungen, Unterbauchschmerzen und Durchfall. In der Placebogruppe ging es rund dreißig Prozent und damit statistisch gesehen signifikant weniger Patienten nach diesem Zeitraum besser. Nebenwirkungen traten kaum auf. In der Rifaximingruppe wurde zwar etwas häufiger über Erbrechen berichtet als in der Placebogruppe, dabei kann es sich jedoch auch um ein zufälliges Zusammentreffen handeln.

Da Rifaximin die Bakterienmenge im Darm reduziert, vermuten die Forscher zwei mögliche Auswirkungen des Medikaments: Es gibt entweder weniger schädigende Ausscheidungen der Bakterien oder die Immunreaktionen auf die Bakterien bleibt aus. Auch eine Kombination beider Effekte sei denkbar. Zusammengefasst könne man das Fazit ziehen, dass eine Behandlung mit Rifaximin die Symptome des Reizdarmsyndroms besser lindere als ein Placebo, schreiben die Forscher, deren Arbeit allerdings zum Teil vom Rifaximin-Hersteller mitfinanziert wurde.

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Mark Pimentel (Cedars-Sinai Medical Center, Los Angeles) et al.: New England Journal of Medicine, Bd. 364, S. 22 dapd/wissenschaft.de ? Anke Biester
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