Wie diese beiden Zelltypen im Bewegungszentrum verteilt sind, haben Rathelot und Strick nun mit Hilfe eines Tricks untersucht. Dazu injizierten sie Rhesus-Affen Tollwut-Viren gezielt in einzelne Muskeln von Schultern, Armen und Händen. Diese Erreger haben die einzigartige Fähigkeit, Nerven entlangzuwandern und dabei auch Schaltstellen zu überwinden. Die ersten Gehirnzellen, in denen die Viren auftauchen, sind somit diejenigen, die am direktesten mit dem jeweiligen Muskel verbunden sind. Überraschenderweise fanden sich nahezu alle Nervenzellen mit direkten Verbindungen zu den Arm- und Schultermuskeln in einem begrenzten Teil am rückwärtigen Rand des Bewegungszentrums, zeigte die Auswertung.
Der primäre Motorcortex ist bei den Tieren also zweigeteilt: Ein Teil steuert Bewegungen nur indirekt über einen Schaltkreis im Rückenmark, während der andere einen direkten Zugang zu den Muskeln der vorderen Gliedmaßen hat. Eine ausschließlich indirekte Steuerung finde man etwa Totenkopfäffchen, berichten die Forscher: Sie können ihre Finger nicht unabhängig voneinander bewegen und Gegenstände nur in einer relativ ungezielten Wischbewegung aufnehmen. Kapuzineräffchen hingegen besitzen beide Bewegungszentren und sind in der Lage, mit fein koordinierten Griffen auch kleine Objekte aufzuheben.
Da diese direkte Steuerung ausschließlich bei einigen wenigen Affen und, deutlich ausgeprägter, bei Menschenaffen und Menschen auftrete, handele es sich wohl um eine recht neue Erfindung der Evolution, glauben die Forscher. Sie vermuten, dass sie und das damit einhergehende neue Bewegungszentrum im Gehirn erst die Voraussetzungen für den Gebrauch von Werkzeug und damit die Entwicklung der Kultur geschaffen hat.