Gehirnjogging soll gegen den geistigen Abbau helfen und die kognitive Leistungsfähigkeit bis ins hohe Alter hinein steigern. So zumindest lautet das einhellige Werbeversprechen der zahlreichen Anbieter solcher Trainingsprogramme. Doch ob das Sortieren von Symbolen, Ordnen von Zahlenreihen oder anderen computerbasierten Spielen tatsächlich wirkt, ist umstritten. Kritiker betonen, dass es den meisten Gehirnjogging-Trainings an einer wissenschaftlich fundierten Grundlage fehlt: Die Methode halte nicht, was sie verspreche. „Viele machen dabei jedoch den Fehler, alle Hirntrainings in einen Topf zu werfen“, bemängelt Jerri Edwards von der University of South Florida in Tampa. Das sei, wie wenn man für eine Analyse der Wirkung von Antibiotika auch Zuckerpillen und Nahrungsergänzungsmittel in die Stichprobe einschließen würde. Ähnlich mangelhaft seien die meisten Studien zum Thema Hirnjogging.
Die Alterswissenschaftlerin hat sich deshalb nun gezielt einer ganz bestimmten Form des Gehirnjoggings gewidmet: dem sogenannten „Speed of Processing“-Training. Mit dieser Methode soll vor allem die visuelle Aufmerksamkeit sowie die Auffassungsgabe gestärkt und beschleunigt werden. Bei einer typischen Aufgabe gilt es zum Beispiel, ein Objekt in der Mitte eines Bildschirms voller Gegenstände zu identifizieren und gleichzeitig ein bestimmtes Objekt im peripheren Sichtfeld zu lokalisieren. Die Erfahrung zeigt: Je länger jemand trainiert, desto schneller findet er den gesuchten Gegenstand – selbst wenn die Objekte auf dem Monitor schwierig zu unterscheiden sind. Aber welche Auswirkungen hat das Training auf die geistige Leistung im normalen Alltag? Um dies zu überprüfen, wertete Edwards mehr als 50 Studien aus, die sich mit dieser Trainingsform befassen. Tatsächlich offenbarten die Ergebnisse: Das Gehirnjogging kann wirkungsvoll sein. Personen, die regelmäßig trainierten, waren demnach generell aufmerksamer und zeigten in vielen Situationen eine verbesserte Leistungsfähigkeit. Unter anderem waren sie beim Autofahren reaktionsschneller und folglich in weniger gefährliche Manöver verwickelt. Im Vergleich zu Menschen, die kein Hirnjogging machten, sank der Anteil derjenigen, die im Alter das Autofahren ganz aufgeben mussten dadurch um 40 Prozent, wie Edwards berichtet.
Demenzrisiko sinkt mit jeder Sitzung
Die Untersuchungen wiesen zudem daraufhin, dass das Gehirnjogging sogar Erkrankungen wie Depressionen entgegenwirken kann. Doch lässt sich damit auch das Alzheimer-Risiko wegtrainieren? Für die Beantwortung dieser Frage führten Edwards und ihre Kollegen eine eigene Untersuchung durch. Insgesamt begleiteten sie 2.785 Probanden im Alter zwischen 65 und 94 über einen Zeitraum von zehn Jahren. Die Teilnehmer übten sich zunächst fünf Wochen lang regelmäßig im Gehirnjogging. Zudem konnten sie nach Wunsch vor Abschluss des ersten und dritten Studienjahres an weiteren Trainingssitzungen teilnehmen. Drei Gruppen praktizierten dabei jeweils eine bestimmte Form des Trainings, darunter auch das „Speed of Processing“-Training. Eine Kontrollgruppe führte kein spezielles Hirnjogging durch. Dabei zeigte sich, dass sich insbesondere das „Speed of Processing“-Training positiv auf das Demenz-Risiko auswirkte und den Beginn dieses Syndroms deutlich verzögern konnte. Im Vergleich zur Kontrollgruppe war das Risiko bei den Probanden, die an mindestens zehn solcher Sitzungen teilgenommen hatten, nach zehn Jahren um 48 Prozent reduziert. Doch Effekte manifestierten sich auch schon nach weniger intensivem Training. So sank die Wahrscheinlichkeit für eine Demenzerkrankung mit jeder abgeschlossenen Gehirnjogging-Einheit um acht Prozent.
Für die Forscher ist damit klar, dass Hirnjogging nicht per se Humbug ist. „Manche Trainings funktionieren und andere nicht“, schließt Edwards. „Für das „Speed of Processing“ konnten wir belegen, dass es Menschen dazu verhelfen kann, im Alltag besser zu funktionieren.“ Wer geistig fit bleiben wolle, solle sich am besten auf Gehirnjoggings konzentrieren, deren Wirkung durch Studien sicher fundiert ist.