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Schülern ins Gehirn geschaut

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Schülern ins Gehirn geschaut
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Was geht beim Unterricht im Gehirn der Schüler vor? Eine EEG-Studie enthüllt es. (Foto: BraunS/ iStock)
Was geht im Kopf von Schülern vor, während sie im Unterricht sitzen? Genau diese Frage haben nun Forscher mit einem innovativen Ansatz erkundet: Sie verpassten einer Schulklasse tragbare Hirnstrom-Messgeräte und konnten so ihre Hirnaktivität während der Schulstunden beobachten. Dabei zeigte sich: Je engagierter die Schüler dem Unterricht folgten, desto synchroner waren ihre Hirnströme untereinander – ein Zeichen für hohe gemeinsame Aufmerksamkeit. Wie stark ausgeprägt dieser Gleichtakt ist, hängt offenbar vom Unterrichtsstil und der Beliebtheit des Lehrers, aber auch vom sozialen Zusammenhalt der Klasse untereinander ab.

Das Lernen ist die wichtigste Fähigkeit des Menschen – erst dadurch erwerben wir das Wissen und die Fertigkeiten, die uns Alltag und Beruf erfolgreich meistern lassen. Vor allem die Schule soll uns einen Großteil der Voraussetzungen dafür vermitteln. Wie gut das allerdings funktioniert, hängt von vielen Faktoren ab. Schon seit Jahrzehnten debattieren Didaktikexperten beispielsweise darüber, welche Unterrichtsform den Lernerfolg am besten fördert. Neurowissenschaftler haben bereits einiges über die Grundlagen des Lernens herausgefunden. So scheint die Lernfähigkeit nicht nur von der Intelligenz des Einzelnen abzuhängen, sondern auch in großem Maße von der Aufmerksamkeit, Neugierde und den dahinterstehenden neuronalen Mechanismen. Untersuchungen der Hirnströme von Lernenden zeigen beispielsweise, dass eine besonders hohe Aktivität der sogenannten Alphawellen eine starke Bereitschaft und Fähigkeit des Gehirns anzeigt, neue Informationen aufzunehmen und zu verarbeiten. Doch solche Laborstudien können die Wirklichkeit im Klassenzimmer nur bedingt abbilden – schon weil das schulische Lernen nahezu immer in der Gruppe stattfindet.

EEG im Klassenzimmer

Um mehr Aufschluss über die neuronalen Vorgänge beim Lernen in der Schule zu gewinnen, haben Suzanne Dikker von der New York University und ihre Kollegen nun einen naheliegenden, aber innovativen Ansatz gewählt: Sie gingen mitsamt ihrer Messgeräte dorthin, wo das Lernen stattfindet: in den Klassenraum. Für ihre Studie begleiteten sie zwölf Highschool-Schülerinnen und Schüler während eines ganzen Schulhalbjahres. In jeder der einmal wöchentlich stattfindenden Biologiestunden setzten die Forscher ihren jungen Probanden eine Elektrodenkappe auf und leiteten mittels Elektroenzephalogramm (EEG) ihre Hirnströme ab. In der Auswertung verglichen sie, wie synchron die Hirnaktivität der Schüler untereinander war und wie sich dies unter verschiedenen Bedingungen veränderte. Untersucht wurde beispielsweise der Einfluss der Unterrichtsform: Anschauen eines Videos, Gruppenarbeit oder Frontalunterricht, aber auch der Einfluss der Beliebtheit des Lehrers und das Zugehörigkeitsgefühl zur Gruppe bei den einzelnen Schülern.

Es zeigte sich: Je engagierter die Schüler dem Unterricht folgten und sich beteiligten, desto synchroner waren ihre Hirnströme untereinander. Dies betraf auch die für die Aufmerksamkeit wichtigen Alphawellen. „Die Schüler, die im Unterricht fokussiert waren, zeigten eine größere Synchronität ihrer Hirnaktivität mit der Gruppe – unabhängig vom Unterrichtsstil“, berichten Dikker und ihre Kollegen. Allerdings beobachteten sie auch, dass Gruppenarbeit oder das gemeinsame Anschauen eines Videos für deutlich mehr Gleichtakt sorgte als das klassische Dozieren beim Frontalunterricht. Neben der Aufmerksamkeit und dem Unterrichtsstil spielt aber auch die soziale Dynamik im Klassenraum eine wichtige Rolle, wie die Forscher erklären. Je wohler sich ein Schüler in der Gruppe fühlt, desto eher schwingen seine Gehirnwellen im Gleichtakt mit denen der anderen. „Die Synchronität zwischen den Gehirnen der Schüler reflektierte auch, wie sehr die Schüler die Lehrkraft und ihre Mitschüler mochten“, so Dikker. „Je besser ein Schüler seinen Lehrer bewertete, desto weniger Unterschiede gab es im EEG-Gleichtakt zwischen den verschiedenen Unterrichtsformen wie Video oder Lehrervortrag.“

Was lehrt uns das?

Dieser Live-Blick in die Gehirne einer Schulklasse liefert gleich mehrere interessante Erkenntnisse. Zum einen bestätigt er, dass die Gehirnaktivität beim schulischen Lernen durch mehrere Faktoren beeinflusst wird: Der Unterrichtsstil und die Beliebtheit des Lehrers spielen eine Rolle, aber auch die persönlichen und sozialen Eigenheiten der jeweiligen Klasse. Zum anderen erhellt die EEG-Studie, was beim gemeinsamen Lernen im Gehirn passiert und welche Rolle die Synchronität der Hirnaktivität dabei spielt. Denn wie die Forscher erklären, spiegelt der Gleichtakt der Gehirnwellen eine spezielle Form der Aufmerksamkeit wider: Wenn sich alle Beteiligten auf den gleichen Reiz oder die gleiche Abfolge von Reizen konzentrieren, koordiniert diese Stimulation auch ihre Gehirnwellen. „Je mehr Aufmerksamkeit wir diesen Reizmustern widmen, desto mehr passt sich unser Gehirn diesen Mustern an“, so Dikker. „Wenn mein Sitznachbar und ich uns stark auf diese Reize konzentrieren, gleichen sich dadurch auch unsere Hirnwellen an – weil sie auf die gleiche Information fokussiert sind.“

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Für den Schulunterricht bedeutet dies: Je wohler sich die Schüler in ihrer Klasse und mit dem Lehrer fühlen, desto wahrscheinlicher ist es, dass sie sich auf den Stoff einlassen und ihm die nötige Aufmerksamkeit schenken. Gleichzeitig könnte die Studie Hinweise darauf geben, dass Gruppenarbeit und andere gemeinsame Lernformen tatsächlich besser funktionieren als der klassische Frontalunterricht. Ob und wie allerdings der Gleichtakt der Schülergehirne tatsächlich deren Lernerfolg beeinflusst, haben Dikker und ihre Kollegen noch nicht untersucht. Dies wäre sicher eine interessante Frage für eine Folgestudie. Ihre Methode der vor-Ort-Analyse der Gehirnströme wollen die Forscher nun auch bei größeren Gruppen von bis zu 45 Personen ausprobieren und auch in anderen Zusammenhängen – beispielsweise bei Zuschauern eines Films oder eines Theaterstücks.

Quelle:

© wissenschaft.de – Nadja Podbregar
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Wissenschaftsjournalist Tim Schröder im Gespräch mit Forscherinnen und Forschern zu Fragen, die uns bewegen:

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