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Neue Einblicke ins Gehirn

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Neue Einblicke ins Gehirn
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3D-Modell der Verknüpfungen zwischen 215 HIrnarealen im Mäusehirn (Allen Institute for Brain Science)
Unser Gehirn ist der Sitz unseres Bewusstseins und ein einzigartig komplexes Kunstwerk der Natur. Bis heute sind viele seiner Funktionen noch immer unerklärt. Hirnforscher haben nun in jahrelanger Arbeit gleich zwei neue Karten unseres Denkorgans erstellt. Eine gibt erstmals Einblick in die Genaktivität des Gehirns in einer entscheidende Phase unserer Entwicklung: im Mutterleib. Die zweite Karte ist der erste umfassende Atlas der Verknüpfungen in einem Säugetierhirn. Beide zusammen tragen dazu bei, die Komplexität und Funktionsweise unseres Denkorgans besser zu verstehen.

Das menschliche Gehirn ist eine der komplexesten Strukturen der Natur: Rund 100 Milliarden Neuronen sind hier miteinander verknüpft – so viele, wie es Sterne in der Milchstraße gibt. Durch ihre Wechselwirkung miteinander und der Umwelt entstehen Denken, Bewusstsein und Gefühle. In den letzten Jahren zeigt sich dabei immer mehr, dass nicht nur die Funktion der einzelnen Gehirnzellen und Areale dafür entscheidend ist, sondern vor allem auch ihre Verknüpfung untereinander – das Konnektom. „Zu erfassen, wie das Gehirn verkabelt ist, gehört zu den entscheidenden Schritten um die Informationsverarbeitung des Gehirns zu verstehen“, erklärt Studienleiter Hongkui Zeng vom Allen Institute für Brain Science in Seattle. Bisher allerdings war die einzige Tierart, für die eine komplette Karte der neuronalen Verkabelung existiert, der Fadenwurm Caenorhabditis elegans – mit nur 320 Neuronen kommt das Gehirn des Winzlings der Komplexität des Säugetier-Denkorgans aber nicht mal ansatzweise nahe.

„Straßenkarte“ des Säugetierhirns

Zeng und seine Kollegen haben nun erstmals die komplette Verkabelung bei einem Säugetier-Gehirn kartiert. Als Tiermodell wählten sie dazu die Maus – ihr Gehirn enthält immerhin 75 Millionen Neuronen und ist in Struktur und Funktionalität dem unsrigen schon relativ ähnlich. In mühsamer Kleinarbeit erstellten die Forscher scheibchenweise hochauflösende Scans von 1.700 Mäusehirnen. Diese kombinierten sie anschließend zu einem dreidimensionalen Modell – einem 3D Atlas der neuronalen Verknüpfungen. Der Allen Mouse Brain Connectivity Atlas enthält bisher mehr als 1,8 Petabyte an Daten – wären sie HD-Videos, bräuchte man 23,9 Jahre am Stück, um sie alle abzuspielen.

„Bisher konnte die Hirnforschung nur auf unvollständige, fragmentierte Datensätze zurückgreifen – kleine Kartenausschnitte in ganz unterschiedlichen Maßstäben“, erklärt Ed Callaway vom Salk Institute for Biological Studies. „Jetzt haben wir erstmals Zugang zu kompletten und konsistenten Daten über das gesamte Gehirn.“ Doch fertig ist der neue Hirnatlas damit noch lange nicht, wie die Forscher betonen. „Er liefert uns bisher eine Straßenkarte auf der Ebene der Autobahnen und der größeren Städte, die sie verbinden“, erklärt Koautor David Anderson vom California Institute of Technology. Im nächsten Schritt sollen nun kleinere Straßen und ihre Kreuzungen mit den Autobahnen hinzukommen, später dann auch die kleinsten Verknüpfungen.

Blick ins vorgeburtliche Gehirn

Die zweite Karte zeigt erstmals die Genaktivität im menschlichen Gehirn vor der Geburt – etwa in der Mitte der Schwangerschaft. Sie beleuchtet damit eine entscheidende Phase in der Entwicklung unseres Denkorgans. Denn in diesem Alter werden viele Strukturen angelegt, die unser Denken und Fühlen ein Leben lang prägen. Auch Entwicklungsstörungen wie beispielsweise Autismus haben ihren Ursprung höchstwahrscheinlich in dieser Zeit. Die Forschergruppe um Ed Lein vom Allen Institute for Brain Science nutzten für ihre Kartierung Gewebeschnitte der Gehirne von vier in der 15., 16. und 21. Schwangerschaftswoche durch Fehlgeburten gestorbenen Föten. Nach Kartierung der anatomischen Merkmale isolierten die Forscher die RNA aus 300 Proben, um über diese Botenmoleküle die Genaktivität zu bestimmen.

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„Zu wissen, wo ein Gen im Gehirn aktiv ist, liefert uns wertvolle Hinweise auf seine Rolle“, erklärt Lein. Mit dem neuen Atlas habe man nun eine Schablone, die zeigt, welche Genaktivität beim Fötus nötig ist, damit sich das Gehirn in gesunder Weise entwickelt. Das hilft wiederum dabei, herauszufinden, was bei bestimmten neurologischen Störungen schon in diesem Stadium falsch läuft. Ein erstes Ergebnis brachte der neue Atlas in dieser Hinsicht bereits: Anhand der neuen Daten konnte die Forscher feststellen, dass bei Autismus schon während der Embryonalentwicklung die Genaktivität in einem Areal besonders erhöht ist. Dieses Areal ist später unter anderem für einige Aspekte des Sozialverhaltens verantwortlich – dem Bereich, in dem Autisten besondere Auffälligkeiten zeigen.

Quellen:

© wissenschaft.de – Nadja Podbregar
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