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Zwillinge – gleich und doch verschieden

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Zwillinge – gleich und doch verschieden
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Was macht eineiige Zwillinge trotz gleicher Gene so individuell? (Bild: James Woodson / Thinkstock)
Eineiige Zwillinge sind genetisch betrachtet Klone: Sie besitzen exakt das gleiche Erbgut. Trotzdem aber entwickeln sie meist schon als Kleinkinder individuelle Persönlichkeiten – und das selbst dann, wenn sie in der gleichen Umgebung und Familie aufwachsen. Wie diese Unterschiede entstehen und warum, haben deutsche Forscher jetzt anhand von Mäusen untersucht. Dabei zeigte sich: Obwohl alle Tiere in einem großen Käfig zusammen lebten, erlebte jede einzelne Maus ihre Umgebung etwas anders: Sie erkundete andere Ecken, lief häufiger oder weniger häufig umher. Dadurch aber entwickelte sich auch ein für Lernen und Gedächtnis entscheidendes Zentrum in ihrem Gehirn unterschiedlich. Zum ersten Mal habe man damit die neurologische Basis für die Ausbildung der individuellen Persönlichkeit aufgespürt – nicht nur bei Mäusen, sondern auch beim Menschen, so die Forscher.

Schon seit langem ist klar, dass das, was wir erleben, im Laufe der Zeit auch unsere Persönlichkeit formt. Vor allem Erfahrungen in der Kindheit hinterlassen deutliche Spuren in unserem Verhalten, aber auch in unserer Psyche und sogar der Hirnfunktion. Zwillingsstudien nutzen diesen Fakt aus, indem sie eineiige Geschwisterpaare untersuchen, die getrennt voneinander aufgewachsen sind – dadurch lässt sich der Einfluss der unterschiedlichen Umgebung und Erfahrungen gut von den identischen genetischen Voraussetzungen isolieren. Aber auch Zwillinge, die gemeinsam aufwachsen, entwickeln trotz ihres gleichen Aussehens sehr eigenständige und individuelle Persönlichkeiten. Auf irgendeine Weise muss im Laufe der Kindheit für jedes Geschwisterkind aus der gemeinsamen Umwelt eine Art personalisierter Lebens- und Erfahrungsraum werden. Und dieser, so die Theorie, prägt und formt auch die individuelle Hirnentwicklung und damit die Persönlichkeit. Aber wie?

Gleiche Gene, gleiche Umwelt – anderes Verhalten

Um das zu klären, nutzten Julia Freund vom DFG-Zentrum für Regenerative Therapien an der TU Dresden und ihre Kollegen tierische Mehrlinge als Modell: Eine Gruppe von 40 Mäusen, die alle die gleiche Erbinformation trugen. Diese Tiere setzten die Forscher in einem großen Käfig mit zahlreichen Erkundungs- und Beschäftigungsmöglichkeiten. Damit hatten diese Mäuse nicht nur die gleiche genetische Ausstattung, sie lebten auch in der gleichen Umwelt. Allerdings: „Diese Umgebung war so abwechslungsreich, dass jede Maus ihre eigenen individuellen Erfahrungen machen konnte“, erklärt Studienleiter Gerd Kempermann vom Zentrum für neurodegenerative Erkrankungen in Dresden. In welchem Maße dies geschah, verfolgten die Wissenschaftler mit Hilfe von winzigen RFID-Chips, die sie den einzelnen Mäusen zuvor unter die Haut gepflanzt hatten.

Tatsächlich zeigten sich im Laufe der dreimonatigen Versuchszeit deutliche Unterschiede: Einige Mäuse hielten sich vorwiegend in einem Bereich des Käfigs auf und wanderten nur zwischen Nest und Futterstation hin und her. Andere dagegen waren unternehmungslustiger und erkundeten jede Ecke ihres Lebensraumes. „Im Laufe der Zeit unterschieden sich die Tiere immer stärker in ihrem Verhalten und damit auch in ihren Erfahrungen“, erklärt Kempermann.

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Neuronen-Zuwachs als Merkmal sich entwickelnder Persönlichkeit

Um herauszufinden, wie sich das auf die Gehirnentwicklung auswirkt, hatten die Forscher den Mäusen zu Beginn und am Ende der Versuchsphase einen speziellen Marker gespritzt. Dieser machte sichtbar, wie viele neue Gehirnzellen im Hippocampus der Tiere gebildet wurden. Dieses Gehirnzentrum spielt eine wichtige Rolle für das Lernen und Verarbeiten neuer Erfahrungen. Es gehört zudem zu den Hirnarealen, in denen auch im Erwachsenenalter bei Maus und Mensch noch neue Gehirnzellen wachsen. „Wenn dort neue Neuronen entstehen, gibt das dem Hippocampus die nötige Flexibilität, um mit neuen und komplexen Informationen fertig zu werden“, erklären die Forscher.

Wie sie berichten, war zu Beginn des Versuchs das Zellwachstum in diesem Hirnareal noch bei allen Mäusen relativ gleich. Nach Ablauf der drei Monate aber zeigten sich deutliche Unterschiede: Die Tiere, die den Käfig aktiver und ausführlicher erkundet hatten, entwickelten auch mehr neue Neuronen im Hippocampus als ihre passiveren Artgenossen. Dies zeige zum ersten Mal, wie persönliche Erfahrungen dazu beitragen, das Gehirn zu individualisieren, sagen die Forscher: Trotz gleicher Umgebung und gleicher genetischer Ausstattung entwickelten die Mäuse unterschiedliche und sehr persönliche Verhaltensmuster – und damit auch ein unterschiedlich angepasstes und plastisches Gehirn. „Das liefert uns ein Tiermodell auch für die Frage, wie unsere Art, unser Leben zu leben uns zu dem macht, wer wir sind“, konstatieren Freund und ihre Kollegen.

Julia Freund (DFG-Zentrum für Regenerative Therapien, TU Dresden) et al., Science, doi: 10.1126/science.1235294 © wissenschaft.de – ===Nadja Podbregar
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