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Zahl der Eltern zählt

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Zahl der Eltern zählt
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Wie viele Eltern braucht ein Kind? (Bild: Thinkstock)
Was für einen Unterschied macht es, ob ein Kind nur mit einem oder mit zwei Elternteilen aufwächst? Viele alleinerziehende Mütter oder Väter machen sich Gedanken, ob es ihrem Kind womöglich an etwas fehlt – weil es keine zweite Bezugsperson hat oder weil durch den Beruf schlicht weniger Zeit bleibt, sich um den Nachwuchs zu kümmern. Kanadische Forscher haben diese Frage jetzt an Mäusen untersucht – und dabei tatsächlich Unterschiede gefunden. Bei Mäusekindern, die nur mit der Mutter aufwuchsen, produzierte das Gehirn in bestimmten Bereichen später weniger neue Gehirnzellen und sie verhielten sich in Tests auch anders. Diejenigen, die zwei Eltern hatten – egal, ob Vater und Mutter oder Mutter und Co-Mutter – schienen dagegen von der intensiveren Betreuung zu profitieren – die männlichen Jungen allerdings auf andere Weise als die weiblichen. Ob diese Ergebnisse jedoch auf den Menschen übertragbar sind, sei noch unklar, betonen die Wissenschaftler.

Dass die Weichen für viele Aspekte unserer Persönlichkeit in der frühen Kindheit gestellt werden, ist nicht neu: „Frühe Lebenserfahrungen haben tiefgreifende Effekte auf die Entwicklung des Gehirns, die Gefühle und das Verhalten, die das gesamte Leben hindurch anhalten“, erklären Gloria Mak von der University of Calgary und ihre Kollegen. So zeigen Studien, dass Kinder, die als Säuglinge vernachlässigt oder misshandelt werden, als Erwachsene anfälliger für Stress, Depressionen und andere neuropsychologische Erkrankungen sind. Umgekehrt stärkt eine durch intensive Fürsorge und viele positive Erfahrungen geprägte Kindheit das spätere Sozialverhalten, die Lernfähigkeit und auch die Stressresistenz. Hirnscans belegen zudem, dass dabei auch messbare Unterschiede in Form und Größe bestimmter Hirnstrukturen auftreten können.

Mutter pur, mit Vater oder mit Co-Mutter

Ob solche Unterschiede nicht nur in krassen Fällen der Vernachlässigung vorkommen, sondern auch schon beim Vergleich allein erzogener versus doppelt betreuter Kinder, war bisher unklar, wie die Forscher berichten. Mak und ihre Kollegen entschlossen sich daher, dies an Mäusen zu untersuchen. Für ihre Studie setzten sie trächtige Mäuseweibchen kurz vor der Geburt der Jungen in Einzelkäfige. Einige blieben dann bis zum Abstillen ihres Nachwuchses allein – waren also quasi alleinerziehend. Andere teilten sich den Käfig mit dem Vater der Jungen. Eine dritte Gruppe von Weibchen erhielt eine weibliche, selbst nicht schwangere Co-Mutter an die Seite gestellt.

Um die Auswirkungen dieser Aufzucht-Varianten auf die Jungen vergleichen zu können, unterzogen die Wissenschaftler den Nachwuchs aller Weibchen im Alter von acht Wochen verschiedenen Verhaltenstests. Sie prüften dabei unter anderem die Neugier, die Lernfähigkeit, das Sozialverhalten und das Angstverhalten der Tiere in verschiedenen Labyrinthen, bei Schwimmtests und bei Begegnung mit einem ihnen unbekannten Artgenossen. Als Indikator für die neuronale Entwicklung verglichen die Forscher, wie viele Stammzellen die Mäusejungen in bestimmten Regionen ihres Gehirns besaßen. Diese Zellen können auch im Erwachsenenalter noch neue Gehirnzellen produzieren und damit möglicherweise die Funktion und das Volumen des Denkorgans beeinflussen.

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Mehr Streicheleinheiten – mehr neue Gehirnzellen

Ein Unterschied war schon kurz nach Geburt der Mäusekinder zu beobachten: „Die Jungen, die von zwei Elternteilen oder Mutter und Co-Mutter aufgezogen wurden, wurden häufiger geleckt und geputzt als die mit nur einer Mutter“, berichten Mak und ihre Kollegen. Zwar habe sich jedes Tier etwa gleich viel um den Nachwuchs gekümmert, aber bei den Nestern mit zwei Betreuern bekamen die Jungen diese Zuwendung gleich von zwei Seiten und damit quasi die doppelte Portion. Überraschenderweise wirkte sich dieser frühkindliche Unterschied auf männliche und weibliche Jungen ganz unterschiedlich aus, wie die Forscher berichten. So zeigten die doppelt betreuten Weibchen in den Verhaltenstests eine bessere Balance und Bewegungskoordination und waren sozialer. Die Männchen lernten dafür schneller, unangenehmen Reizen aus dem Weg zu gehen.

Auch auf der Ebene der Gehirnzellen fanden Mak und ihre Kollegen deutliche Unterschiede – und diese waren ebenfalls geschlechtsspezifisch: Weibchen, die mit zwei Betreuern aufgewachsen waren, produzierten als Erwachsene im Bereich des sogenannten Balkens doppelt so viele neue Neuronen aus Stammzellen wie die nur mit Mutter aufgewachsenen. Der Balken, auch Corpus Callosum genannt, bildet die Brücke zwischen den beiden Gehirnhälften und gilt als wichtig für die Koordination von Bewegungen, aber auch für das Sozialverhalten, wie die Forscher erklären. Dies könne möglicherweise die in den Verhaltenstests beobachteten Unterschiede erklären. Bei den Männchen gab es in diesem Hirnbereich keine Unterschiede, dafür aber in einem anderen: Die doppelt Betreuten besaßen mehr Stammzellen in einem Areal, das den Hippocampus versorgt. Dieser gilt als wichtig unter anderem für das Lernen.

„Unsere Studie zeigt, dass die Betreuung durch zwei Elternteile oder Mutter und Co-Mutter das Zellwachstum im Gehirn nachhaltig fördert und dadurch auch Wirkungen auf das spätere Verhalten des Nachwuchses hat“, konstatieren die Forscher. Primärer Auslöser sei wahrscheinlich die im Vergleich zu alleinerziehenden Müttern intensivere Betreuung der Kinder. Überraschend finden Mak und ihre Kollegen allerdings, wie unterschiedlich und geschlechtsspezifisch dieser Effekt ist. Warum dies der Fall sei, müsse nun in weiteren Studien genauer untersucht werden. Und auch, ob ihre Ergebnisse bei den Mäusen auf andere Säugetiere und den Menschen übertragbar sind, ist bisher nicht geklärt.

Gloria Mak (University of Calgary) et al., PLoS ONE, doi: 10.1371/journal.pone.0062701 © wissenschaft.de – ===Nadja Podbregar
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