Anzeige
1 Monat GRATIS testen, danach für nur 9,90€/Monat!
Startseite »

Geborene Flachland-Tiroler

Erde|Umwelt Gesundheit|Medizin

Geborene Flachland-Tiroler
Höhenflüge sind nichts fürs Gehirn: Wenn es um die räumliche Orientierung geht, scheint das hirninterne Navigationssystem fast ausschließlich zweidimensional zu arbeiten, haben britische und US-amerikanische Forscher jetzt bei Ratten gezeigt. Denn Position und die Entfernung verschiedener Punkte voneinander werden vom Gehirn zwar akribisch registriert, solange sich die Tiere auf einer Ebene bewegen. Verändert sich aber die Höhe, etwa weil die Ratten eine schräge Rampe hinauflaufen, bleiben solche Prozesse aus. Offenbar ist also die interne Landkarte, die das Gehirn zur Orientierung im Raum entwirft, flach – sie erlaubt es nicht, die exakte Höhe zu bestimmen, sondern ermöglicht lediglich eine grobe Abschätzung, etwa ob man “sehr hoch” ist oder nur “ein bisschen hoch”, erläutern die Wissenschaftler. Sollte sich ein ähnliches System auch beim Menschen finden, bleibt die Frage, wie es bestimmte Berufsgruppen – Piloten, Astronauten oder auch Taucher – schaffen, so exzellent durch eine dreidimensionale Umgebung zu navigieren.

Die Wissenschaftler um Kathryn Jeffery vom University College London konzentrierten sich bei ihren Versuchstieren auf zwei verschiedene Zellarten im Gehirn: die sogenannten Place Cells, die im Hippocampus logieren, und die Grid Cells, die in dessen direkter Nachbarschaft lokalisiert sind. Beide gelten als unverzichtbar für die Orientierung im Raum. Die Place Cells sind für die Bestimmung der Position zuständig und feuern vor allem dann, wenn sich das Tier dicht an einem definierten Punkt befindet. Die Grid Cells dagegen agieren so, als wäre die gesamte Umgebung in ein virtuelles Gitter einteilt: Bewegt sich das Tier durch dieses Gitter, findet man jedesmal einen Aktivitätspeak, wenn es den Schnittpunkt zwischen zwei Gitterlinien passiert. Die Grid Cells scheinen daher eine Art Karte zu bilden, mit deren Hilfe sich Entfernungen abschätzen lassen.

Während die Rolle der beiden Zelltypen für die Bewegung auf der Ebene relativ gut bekannt sind, sei bisher völlig ungeklärt gewesen, was sie tun, wenn sich ihr Besitzer zusätzlich nach oben oder nach unten bewegt, schreiben Jeffery und ihre Kollegen. Um das zu testen, ließen sie insgesamt 17 Ratten auf einem ebenen Untergrund herumwandern, eine schräge Kletterwand erklimmen oder eine Mini-Wendeltreppe hinauflaufen, während sie gleichzeitig die Aktivität einzelner Nervenzellen in den Gehirnen der Tiere aufzeichneten. Ergebnis: Die Grid-Zellen ignorierten den Höhenunterschied nahezu vollständig – sie reagierten sowohl auf der Kletterwand als auch auf der Wendeltreppe genauso wie auf der flachen Ebene. Die Place Cells wurden zwar durch das Klettern zusätzlich aktiviert, der Unterschied zur Ebene war jedoch nur sehr gering.

Die Forscher sehen zwei Interpretationsmöglichkeiten: Entweder sind die Ratten – und damit möglicherweise auch der Mensch – bei der Bewertung von Höhen tatsächlich sehr schlecht – dann könnten sie lediglich ganz grob abschätzen, wie hoch sie sich aktuell befinden. Oder es gibt ein weiteres, bisher übersehenes System, das die dritte Dimension bei der Orientierung und Navigation abdeckt und dessen Aktivität nur indirekt mit der von Grid- und Place-Zellen gekoppelt ist. Allerdings hätten Experimente in der Schwerelosigkeit gezeigt, dass sich Testpersonen trotz der Möglichkeit, sich frei in alle Richtungen zu bewegen, eine flache Referenzebene schaffen, die für sie eine Art künstlichen Horizont darstellt. Das deute darauf hin, dass unser eigenes internes Modell des Raums ebenfalls flach ist – und dass das Gefühl, sich in allen drei Dimensionen orientieren zu können, lediglich eine Illusion ist.

Robin Hayman (University College London) et al.: Nature Neuroscience, Online-Vorabveröffentlichung, doi: 10.1038/nn.2892 wissenschaft.de – Ilka Lehnen-Beyel
Anzeige
Anzeige

Wissenschaftsjournalist Tim Schröder im Gespräch mit Forscherinnen und Forschern zu Fragen, die uns bewegen:

  • Wie kann die Wissenschaft helfen, die Herausforderungen unserer Zeit zu meistern?
  • Was werden die nächsten großen Innovationen?
  • Was gibt es auf der Erde und im Universum noch zu entdecken?

Hören Sie hier die aktuelle Episode:

Aktueller Buchtipp

Sonderpublikation in Zusammenarbeit  mit der Baden-Württemberg Stiftung
Jetzt ist morgen
Wie Forscher aus dem Südwesten die digitale Zukunft gestalten

Wissenschaftslexikon

Mixed Me|dia  〈[mikst midı] Pl.〉 Verwendung verschiedener Medien, bes. im Rahmen künstlerischer Installationen od. bei Happenings, mit dem Ziel des gattungssprengenden Gesamtkunstwerks; Sy Multimediashow ( … mehr

Schwal|be  〈f. 19; Zool.〉 Angehörige einer Familie kleiner Singvögel mit kurzen, nicht zum Laufen geeigneten Beinen: Hirundinidae ● eine ~ macht noch keinen Sommer 〈Sprichw.〉 aus einem Einzelfall kann man nicht auf das Allgemeine schließen … mehr

Ju–Jut|su  〈a. [dudutsu] n.; – od. –s; unz.; Sp.〉 altjapanische Kampfsport ohne Waffen, der Elemente von Aikido, Judo u. Karate enthält u. als eine Vorform des Jiu–Jitsu gilt [jap., ”sanfte Kunst“]

» im Lexikon stöbern
Anzeige
Anzeige
Anzeige