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Gelähmter kann Hand wieder bewegen

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Gelähmter kann Hand wieder bewegen
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Dank elektronischer Hilfe bewegt Ian Burkhart seine zuvor gelähmte Hand (Foto: Ohio State University Wexner Medical Center/ Batelle)
Noch vor vier Jahren war Ian Burkhart vom Hals abwärts gelähmt, jetzt kann er seine rechte Hand wieder bewegen und sich selbstständig etwas zu trinken einschenken. US-Forscher haben dies durch einen elektronischen Bypass ermöglicht: Eine digitale Datenleitung überbrückt das durchtrennte Rückenmark des Gelähmten. Über sie senden in seinem Gehirn eingepflanzte Elektroden Bewegungsbefehle an eine Elektrodenmanschette um seine Armmuskeln.

Der 24-jährige Ian Burkhart ist ein klassischer Fall: Mit 20 Jahren erlebte er einen Autounfall, der sein Rückenmark zwischen dem fünften und sechsten Halswirbel durchtrennte. Als Folge war er seither vom Hals abwärts gelähmt. Für solche sogenannten Quadriplegiker gab es lange Zeit kaum Hoffnung, wenigstens einfache Handgriffe wieder selbst ausführen zu können. Forscher experimentieren jedoch schon seit längerem mit Roboterarmen und Roboterskeletten, die über ins Gehirn implantierte Elektroden gesteuert werden können. Nach längerem Training gelang es in ersten Tests bereits, Gelähmten auf diese Weise zumindest über solche Ersatzarme und Gehhilfen wieder ein wenig mehr Autonomie zu verleihen. „Im letzten Jahrzehnt haben wir immer besser gelernt, die Gehirnsignale von vollständig gelähmten Patienten zu entziffern“, erklärt Erstautor Chad Bouton vom Batelle Memorial Institute in Columbus. In Versuchen mit Affen nutzten Forscher diese Signale zudem bereits, um die gelähmten Armmuskeln der Tiere wieder kontrollierbar zu machen.

Jetzt ist es erstmals gelungen, diese Technik bei einem gelähmten Menschen einzusetzen – bei Ian Burkhart. Dafür pflanzten die Forscher dem Gelähmten zunächst eine Reihe von Elektroden in die linke Seite seines motorischen Cortex – der Hirnregion, die die Bewegungen der rechten Hand steuert. Die darüber abgeleiteten Hirnsignale wurden an einen Computer geschickt, der dann spezifische Signale an eine Manschette aus 130 Elektroden um den Unterarm von Burkhart übermittelte. Dieses neurale Bypass System, wie die Forscher es nennen, überbrückte damit die unterbrochene Nervenleitung vom Gehirn zu den Armmuskeln. Bis allerdings tatsächlich erste Handbewegungen möglich wurden, musste Burkhart 15 Monate lang trainieren. Zunächst übte er, durch Konzentration auf eine bestimmte Bewegung, beispielsweise das Drehen im Handgelenk oder das Greifen mit Daumen und Zeigefinger, die entsprechenden Signale in seinem Gehirn zu erzeugen. Dadurch konnte die lernfähige Software des Systems unterscheiden lernen, welche Signale für welche der geübten Bewegungen stehen und sie an die Elektrodenmanschette weiterleiten.

Endlich wieder greifen, heben, drehen

Anfangs gelang es Burkhart nur, seine Hand durch Gedankensignale zu öffnen und zu schließen. Inzwischen jedoch beherrscht er sechs verschiedene Hand- und Fingerbewegungen und kann sogar deren Stärke kontrollieren. „Es ist erstaunlich, was er erreicht hat“, sagt Nicholas Annetta vom Batelle Memorial Institute, der für die Entwicklung der Elektronik verantwortlich war. „Ian kann eine Flasche greifen, den Inhalt in eine Tasse gießen und die Flasche wieder zurückstellen. Dann hebt er einen Rührstab auf, rührt den Tasseninhalt um und legt den Stab wieder hin. Er kontrolliert dabei jeden Schritt dieser Sequenz.“ Für den Patienten war die Teilnahme an der Studie wie ein neuer Anfang: „An dieser Forschung teilzunehmen hat mich verändert, ich habe jetzt viel mehr Hoffnung für die Zukunft“, sagt Burkhart. „Jetzt habe ich aus erster Hand erlebt, dass es Fortschritte in Wissenschaft und Technik gibt, die mein Leben besser machen werden.“

Diese erste Demonstration eines neuralen Bypasses ist für viele Gelähmte weltweit Grund zur Hoffnung, meinen die Forscher. Denn sie belegt, dass es möglich ist, ein durchtrenntes Rückenmark mit technischen Mitteln zu überbrücken und die Hirnsignale über einen Computer an die Muskeln des gelähmten Körperteils zu senden. Durch dieses Hilfsmittel entspricht Burkharts Lähmung nun nur noch der eines Menschen, dessen Rückenmark weiter unten durchtrennt wurde, zwischen siebten Halswirbel und ersten Brustwirbel. „Diese Verbesserung ist bedeutend, denn diese Patienten können sehr viel selbstständiger leben“, betonen Bouton und seine Kollegen. Bevor allerdings auch andere Gelähmte von diesem Fortschritt profitieren können, müssen das System und seine Algorithmen erst noch weiter verfeinert werden.

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So funktioniert der neurale Bypass (Quelle: Nature Video)

Quelle:

© wissenschaft.de – Nadja Podbregar
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