Insulin ist ein Wirkstoff, der den Zellen des Körpers die Aufnahme von Zucker aus dem Blut ermöglicht, um die Energieversorgung sicherzustellen. Bei Diabetes-Erkrankungen ist die Produktion des Insulins in der Bauchspeicheldrüse gestört. Dadurch können zu hohe Blutzuckerwerte entstehen, die den Organismus belasten. Zur Behandlung müssen sich Diabetiker deshalb oft künstlich Insulin durch Injektionen zuführen.
Menschliches Insulin ist für diesen Zweck aber eigentlich nicht wirklich gut geeignet. Es ist aus einem sogenannten „A“ -Bereich und einer „B“ -Region aufgebaut. Ein Teil dieser B-Region bewirkt, dass Insulin-Moleküle sich zu Sechser-Gruppen zusammenballen. Das macht unter normalen Umständen Sinn: In dieser kompakten Form wird das Hormon in der Bauchspeicheldrüse gespeichert. Nach einer Injektion muss das Insulin aber erst einmal in einzelne Moleküle aufbrechen, bevor es die gewünschte Wirkung im Patienten erfüllen kann.
Menschliches Insulin will Weile haben
Dies kann bis zu einer Stunde dauern – das am schnellsten wirkende Insulin auf dem Markt, braucht immer noch 15 bis 30 Minuten, um aktiv zu werden. „Die ideale Strategie scheint, die problematische Region aus dem B-Bereich zu entfernen“ sagt Helena Safavi von der University of Utah in Salt Lake City. „Aber dann verliert man auch die Insulinaktivität“, erklärt die Forscherin. Doch wie sie und ihre Kollegen nun zeigen konnten, besitzt das Insulin aus dem Gift der Kegelschnecke Conus geographus den verklumpenden Molekülbestandteil gar nicht, ist aber dennoch wirksam. Tests an Insulinrezeptoren im Labor legen nahe, dass es möglicherweise schon in fünf Minuten zu wirken beginnen könnte.
Obwohl die Wirksamkeit des Schneckengift-Insulins geringer ist als beim menschlichen Insulin, macht es diese Schnelligkeit aus medizinischer Sicht sehr interessant. Den Forschern zufolge könnten Informationen über die Struktur dieses Stoffes nun dabei helfen, das menschliche Insulin so zu verändern, dass es seine verklumpende Eigenschaft verliert, aber dennoch seine starke Wirksamkeit beibehält. „Wir können nun versuchen, das menschliche Insulin mehr Schnecken-artiger zu machen“, so Safavi. „Von tierischen Giften kann man eine Menge lernen – man hat etwas, das bereits entwickelt wurde. Das ist ein großer Vorteil“, betont die Wissenschaftlerin.
Insulin als Jagdwaffe
Es bleibt die Frage: Wozu braucht denn eigentlich eine Meeresschnecke ein schnell wirkendes Insulin in ihrem Gift? Es handelt sich dabei auch aus biologischer Sicht um eine faszinierende Geschichte, wie die Forscher berichten. Conus geographus ist eine räuberische Schnecke, die im Indopazifik Jagd auf Fische macht. Statt auf Schnelligkeit setzt sie dabei auf Raffinesse – sie betäubt ihre Opfer: Sie schleicht sich an ruhende Fische an und verströmt dann ein Betäubungsmittel ins Wasser, das diese über die Kiemen aufnehmen. Das Insulin darin bewirkt, dass die Opfer in einen Unterzucker-Zustand geraten, was zu Lähmungen führt. Über die benebelten Beutetiere kann die Schnecke dann in Ruhe ihr glockenförmiges Fangorgan stülpen und sie sich schließlich einverleiben.