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„EPO-Doping“ bei Depressionen

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„EPO-Doping“ bei Depressionen
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Neben der Stimmung kann bei Depressionen auch die Hirnleistung betroffen sein. (Bild: Lichtmeister Photography Productions/iStock)
Bleierne Niedergeschlagenheit – bei depressiven Störungen ist neben der Stimmung allerdings oft auch die geistige Leistung betroffen, was zu einer weiteren Verschärfung der Problematik führen kann. Wie dänische Forscher nun berichten, bietet das berühmt-berüchtigte Sport-Dopingmittel Erythropoietin (EPO) dabei offenbar Behandlungs-Potenzial. Ihre Studie zeigt: Das Hormon verbessert betroffene Hirn-Leistungen bei Menschen mit Depressionen oder bipolaren Störungen.

Schätzungen der Weltgesundheitsorganisation zufolge leiden weltweit rund 350 Millionen Menschen unter Depressionen. Dazu kommen etwa 60 Millionen mit einer sogenannten bipolaren Störung, die durch starke Schwankungen zwischen depressiven und manisch aktiven Phasen gekennzeichnet ist. Das große Problem der Betroffenen ist die mangelnde Fähigkeit zur Lebensfreude, doch ein weiterer Aspekt verschärft oft ihre Lage: Die Gemütsstörungen beeinträchtigen, wie schnell und effektiv ihr Gehirn funktioniert.

Geistige Leistungseinbußen belasten zusätzlich

Dieser Nebeneffekt hält häufig auch nach dem Abklingen einer Depression noch an. Der verlangsamte Denkprozess kann es für die Betroffenen erschweren, ihren Beruf auszuüben oder sich anderen geistigen Herausforderungen zu stellen, was auch ihre Beziehungsfähigkeit beeinträchtigen kann. Wirkstoffe zur gezielten Behandlung dieses Aspekts von depressiven Störungen sind deshalb gefragt.

Die Forscher um Kamilla Miskowiak von der Universität Kopenhagen befassen sich in diesem Zusammenhang mit dem Potenzial von Erythropoietin (EPO). Es handelt sich um einen körpereigenen Wachstumsfaktor, der die Bildung roter Blutkörperchen anregt. Letztlich steigert es damit die Fähigkeit des Blutes, Sauerstoff zu transportieren. Diese Eigenschaft hat künstlich hergestelltem EPO seine berüchtigte Karriere als Leistungssteigerungsmittel im Sport eingebracht, es wird aber auch schon lange in der Medizin zur Behandlung von Blutarmut eingesetzt. Frühere Untersuchungen von Miskowiak und ihren Kollegen haben bereits vermuten lassen, dass es auch eine Wirkung im Rahmen von depressiven Störungen haben könnte.

Dieser Spur sind sie nun durch eine Untersuchung an insgesamt 79 Personen mit Depressionen beziehungsweise bipolaren Störungen nachgegangen. Sie führten mit ihnen zunächst eine Reihe von Tests durch, um ihre geistige Leistungsfähigkeit zu erfassen. Anschließend wurden die Probanden in zwei Gruppen eingeteilt: Die eine bekam über einen Zeitraum von neun Wochen hinweg eine Dosis EPO. Die Kontrollgruppe erhielt hingegen ein wirkungsloses Schein-Präparat – ein Placebo.

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Ein Schub für den erlahmten Verstand

Die erneuten Kognitions-Tests zeigten: Bei der EPO-Gruppe hatte sich die Leistung beim Sprach-Gedächtnis, der Aufmerksamkeitsspanne und bei der Planungsfähigkeit deutlich verbessert. Konkret: „Bei den EPO behandelten Patienten gab es eine Steigerung von etwa elf Prozent, bei der Placebo-Gruppe waren es hingegen nur zwei Prozent“, berichtet Miskowiak. Dieser positive Effekt hielt den Untersuchungen zufolge auch noch bis zu sechs Wochen nach dem Ende der Behandlung an. Es zeichnete sich außerdem ab, dass besonders Probanden von EPO profitierten, die in den neuropsychologischen Vortests besonders schlecht abgeschnitten hatten. „Möglicherweise lassen sich gut geeignete Kandidaten für eine EPO-Behandlung demnach anhand ihrer Testergebnisse identifizieren“, sagt Miskowiak.

Die Wissenschaftlerin betont allerdings: „Wir brauchen nun umfangreichere Studien, um den Effekt von EPO zu bestätigen und die Dosierung sowie Anwendungs-Häufigkeit zu optimieren“. Außerdem gilt es ihr zufolge zu bedenken, dass der Einsatz bei Menschen mit einem erhöhten Risiko für die Bildung von Blutgerinnseln nicht ratsam sein könnte. „Obwohl unsere Ergebnisse vielversprechend sind, ist die EPO-Behandlung jetzt noch nicht verfügbar und möglicherweise wird sie das auch nicht für jeden sein können“, resümiert Miskowiak.

Originalarbeit der Forscher:

© wissenschaft.de – Martin Vieweg
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