Die Stammzell-Technik hat in den letzten Jahren für viel Wirbel gesorgt und große Hoffnungen, aber auch Bedenken geweckt. Das große Ziel ist: Die pluripotenten Vorläuferzellen im Labor zur Bildung von spezialisierten menschlichen Zellen, Geweben oder sogar ganzen Organen anzuregen. Bisher waren die Erfolge allerdings vergleichsweise bescheiden – der Aufbau von dreidimensionalen Gewebestrukturen in Zellkulturen hat sich als problematisch erwiesen. Die Forscher um Juan Carlos Izpisua Belmonte vom Salk Institute for Biological Studies in La Jolla (USA) erhoffen sich deshalb von einem alternativen Konzept bessere Ergebnisse: „Wir glauben, dass es viel effektiver sein könnte, menschliche Gewebe in Tieren heranwachsen zu lassen“, so Belmonte.
Vereinfacht ausgedrückt besteht das Konzept darin: Man schleust menschliche Stammzellen in sich entwickelnde Tierembryonen ein. In dem heranwachsenden Wesen bilden diese Zellen dann das Ausgangsmaterial für den Aufbau bestimmter Gewebetypen. In dem bislang futuristischen Szenario könnten so beispielsweise einmal Schweine entstehen, deren Haut an bestimmten Stellen menschlich ist oder Tiere, in denen Menschen-Herzen schlagen. Diese Gewebe oder Organe könnte man dann in der regenerativen Medizin einsetzen. Belmonte und seinen Kollegen sind nun erste Schritte in diese Richtung gelungen.
Mäuse mit Rattenorganen
Zunächst entwickelten sie im Rahmen ihrer Studie Maus-Ratten-Chimären – Mäuse, deren Körper teilweise aus Ratten-Gewebe besteht. Als Ausgangsmaterial dienten befruchtete Mäuse-Eizellen mit speziellen genetischen Veränderungen. Die Forscher hatten gezielt die Grundlagen für die Bildung bestimmter Gewebe beziehungsweise Organe in ihnen ausgeschaltet. Aus diesen Eizellen hätten sich beispielsweise keine Embryonen mit Augengewebe oder Herzen entwickelt. Genau dies komplementierten Ratten-Stammzellen, die in die Eizellen injiziert wurden. Sie übernahmen die Bildung der fehlenden Gewebe im Mausembryo. So entstanden beispielsweise Mäuschen mit Rattenaugen oder Ratten-Herzen.
Anschließend an diese Erfolge gingen die Forscher zur Einführung von menschlichen Zellen in Tiere über. Als Träger-Organismus wählten sie Schweine und Rinder, da diese Tiere besser zur Körpergröße des Menschen passen. Am besten eigneten sich die Schweine, stellte sich im Verlauf der Studie heraus. Allerdings liefen die Experimente nicht so glatt wie bei den Maus-Ratten-Chimären. Der Grund: Maus und Ratte sind eng miteinander verwandt und deshalb gut kompatibel. Mensch und Schwein trennt hingegen eine weit längere Evolutionsgeschichte. Vor allem die unterschiedliche Entwicklungsgeschwindigkeit bei der embryonalen Entwicklung von Mensch und Schwein ist problematisch, berichten die Forscher.
„Menschliche“ Schweine
Es glückte ihnen aber letztlich dennoch, menschliche pluripotente Stammzellen zur Entwicklung in Schweine-Embryonen anzuregen – die menschlichen Zellen überlebten und es entstanden tatsächlich Schwein-Mensch-Chimärenembryonen. Diese wurden anschließend in Mutterschweine implantiert, in denen sie zwischen drei und vier Wochen lang heranwuchsen. Danach wurde die Entwicklung abgebrochen. „Dies war lange genug, um zu untersuchen, wie sich die Mensch- und Schweine-Zellen mischen, ohne dabei ethische Bedenken bezüglich reifer chimärer Tiere hervorzurufen“, sagt Belmonte. Wie er und seine Kollegen berichten, war der Anteil der menschlichen Zellen allerdings nicht hoch. Sie sollten bei diesen Experimenten allerdings auch noch nicht spezielle Funktionen übernehmen oder Organe bilden, wie bei den Maus-Ratten-Chimären.
„Diese Experimente sollten erst einmal klären, ob es mit menschlichen Zellen überhaupt klappt“, sagt Belmonte. „Nun, da wir wissen, dass die Antwort ja lautet, ist unser nächstes Ziel, die Effizienz zu verbessern und die menschlichen Zellen zur Bildung bestimmter Organe bei Schweinen zu bringen.“ Dazu wollen die Forscher nun Schweine ähnlich genetisch verändern, wie die Mäuse für die Entwicklung der Maus-Ratten-Chimären: Es sollen in den Embryonen Lücken entstehen, die dann von den menschlichen Zellen ausgefüllt werden können.