Es ist eine sehr unangenehme, aber leider oft nötige Therapie: Um einen entzündeten Zahn nicht ziehen zu müssen, wird das geschädigte Pulpengewebe (umgangssprachlich „Zahnnerv“ genannt) aus dem Wurzelkanal durch Herausfeilen entfernt. Die Hohlräume werden dann mit synthetischem Material aufgefüllt und der Zahn abschließend versiegelt. Diese Behandlung beseitigt zwar die Gefahr einer schwelenden oder gar ausufernden Infektion, sie hat allerdings auch einen deutlichen Nachteil: Eine Wurzelkanalbehandlung macht einen Zahn zu einem leblosen Element im Kiefer.
Tote Zähne sind schwach
„Das Verfahren beseitigt die Blut- und Nervenversorgung des Zahnes und nimmt ihm dadurch die Fähigkeiten zur Reparatur- und Abwehr“, erklärt Luiz Bertassoni von der Oregon Health & Science University in Portland. „Ohne ihre Vitalität können Zähne dann schnell verloren gehen, was schließlich Prothesen oder Zahnimplantate nötig macht“, so der zahnmedizinische Forscher. Um diesem Problem entgegenzutreten, haben er und seine Kollegen nun ein cleveres Verfahren entwickelt, um den „entnervten“ Zähnen wieder zu Vitalität zu verhelfen.
Ihr Konzept beginnt mit dem üblichen Schritt im Rahmen einer Wurzelkanalbehandlung: Der Zahn wird angebohrt und das geschädigte Pulpengewebe wird samt dem übrigen befallenen Material bis in die Wurzeln des Zahns herausgefeilt. Statt der üblichen Flutung des Hohlraumes mit künstlichem Füllmaterial setzt nun das innovative Verfahren der Forscher an: Es wird zunächst eine feine Kohlenstoff-Faser bis in die Wurzel geschoben. Den Hohlraum um diese Faser füllen die Forscher dann mit einem speziellen Hydrogel auf, das später das Pulpengewebe ersetzen soll. Dieses Trägermaterial ist mit dentalen Zellen beladen, die aus Zellkulturen stammen.
Blutgefäße sprießen ein
Nachdem sich das Gel verfestigt hat, wird die zuvor eingeführte Faser wieder herausgezogen. Sie hinterlässt dadurch einen Mikrokanal, der von der Wurzelspitze des Zahns bis in den oberen Bereich der Aushöhlung reicht. In dieses Kanälchen bringen die Forscher dann sogenannte Endothelzellen ein, die ebenfalls in Zellkultur gezüchtet wurden. Sie sollen die Bildung feiner Blutgefäße stimulieren, die an den Blutkreislauf des Patienten angeschossen sind und somit den lebendigen Teil des Zahnes versorgen können. Soweit das Konzept des Verfahrens.
Dass es auch tatsächlich auf diese Weise beim Patienten klappen könnte, haben die Forscher nun zunächst durch Versuche mit isolierten Zähnen im Labor dokumentiert: Wie sie berichten, hatten sich sieben Tage nach der Prozedur erfolgreich Blutgefäße in der künstlichen Pulpa gebildet und die dentinproduzierenden Zellen vermehrten sich. Sie sind für die Instandhaltung des Zahnmaterials verantwortlich.
„Unsere Ergebnis belegen, dass die Herstellung von künstlichen Blutgefäßen eine hochwirksame Strategie sein könnte, um die Funktion von Zähnen vollständig zu regenerieren“, sagt Bertassoni. „Wir glauben, dass dieses Verfahren tatsächlich die Art und Weise ändern könnte, wie Wurzelkanalbehandlungen in Zukunft durchgeführt werden“, so der Wissenschaftler.