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Heilung nach der inneren Uhr

Gesundheit|Medizin

Heilung nach der inneren Uhr
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Wie schnell beispielsweise Verbrennungen heilen, hängt von der Tageszeit ab (Grafik: N.P. Hoyle)
Unsere innere Uhr prägt nicht nur unsere Wach- und Schlafenszeiten, sie beeinflusst auch unsere Körperfunktionen. Jetzt haben Forscher herausgefunden, dass sogar unsere Wundheilung vom Takt dieses internen Zeitgebers abhängig ist: Verletzen wir uns nachts, dauert es im Schnitt 60 Prozent länger, bis die Wunde wieder verheilt. Diese neue Erkenntnis könnte beispielsweise für das Timing von Operationen wichtig sein. Sie könnte aber auch helfen, Mittel zu entwickeln, die dem Wundheilungsprozess eine andere Tageszeit vorgaukeln – und so die Heilung beschleunigen.

Unsere sich drehende Welt prägt uns bis in die letzte Körperzelle. Denn wie die meisten Lebewesen auf diesem Planeten besitzen auch wir eine innere Uhr. Sie sorgt dafür, dass unsere Aktivität, aber auch die unbewussten Vorgänge in unserem Körperinneren dem Takt des Tag- und Nacht-Wechsels folgen. Spezielle Uhrengene in unseren Zellen sind dabei mit einem zentralen Taktgeber im Gehirn synchronisiert. Für die Aufklärung ihrer Funktion erhielten in diesem Jahr drei Forscher den Medizin-Nobelpreis. Heute wissen wir, dass die innere Uhr einen Großteil unserer physiologischen Prozesse steuert. Sie beeinflusst die Schwankungen von Körpertemperatur und Blutdruck, aber auch die Ausschüttung von Hormonen oder die Aktivität des Immunsystems. Leben wir gegen diesen Rhythmus unserer inneren Uhr, beispielsweise wegen Jetlag oder durch Schichtarbeit, dann kann dies auf Dauer sogar krankmachen.

Wandernde Zellen

Jetzt haben Nathaniel Hoyle vom MRC Laboratory of Molecular Biology im britischen Cambridge und sein Team einen weiteren Aspekt unserer Gesundheit entdeckt, der von der inneren Uhr beeinflusst wird: die Wundheilung. Für ihre Studie hatten die Forscher zunächst untersucht, ob Fibroblasten in ihrer Aktivität einem internen Takt folgen. Diese Bindegewebszellen spielen bei der Reparatur verletzter Gewebe eine wichtige Rolle: „Gibt es eine Wunde, reagieren die Fibroblasten auf chemische Signale, die sie zum Einwandern in die verletzten Bereiche bewegen und ihre Vermehrung anregen“, erklären die Wissenschaftler. Dadurch wachsen die Wundränder wieder aufeinander zu. Gleichzeitig fördern die Fibroblasten die Einlagerung von Kollagen in das Wundgewebe – den Proteinfasern, die die Haut wie ein elastisches Stützskelett durchziehen.

Die Zellversuche ergaben: Auch die Aktivität der Fibroblasten schwankt im Tagesrhythmus. Sie wandern tagsüber schneller in Wunden von isolierten und in Kultur gehaltenen Hautstücken ein als nachts. Im nächsten Schritt untersuchten die Wissenschaftler, wie sich dies auf die Wundheilung bei lebenden Tieren auswirkt. Dafür fügten sie Mäusen entweder in deren Ruhezeit oder während ihrer Wachzeiten kleine, oberflächliche Hautschnitte zu und verglichen, wie schnell sich diese Wunden wieder schlossen. Das Ergebnis:  „Auch hier beobachteten wir, dass die Fibroblasten signifikant stärker in die Wunden einwanderten, wenn diese während der aktiven Phase auftraten“, berichten Hoyle und seine Kollegen. Als Folge schlossen sich die Wunden nicht nur schneller, im Wundgewebe bildete sich auch mehr neues Kollagen.

Tag-Wunden heilen schneller

Die entscheidende Frage war nun, ob sich diese Beobachtungen auch auf den Menschen übertragen lassen. Um das zu überprüfen, werteten die Wissenschaftler Daten von 118 in England und Wales wegen Hautverbrennungen behandelten Patienten aus. Und auch hier fanden sie einen klaren Rhythmus: „Wir beobachten eine um 60 Prozent verlängerte Wundheilungsdauer, wenn die Verbrennungen während der Nacht aufgetreten waren“, berichten die Forscher. So dauerte die Heilung 39 Tage, wenn die Patienten sich zwischen Mitternacht und vier Uhr morgens verbrannt hatten. Trat die Verbrennung aber vormittags oder am späten Nachmittag auf, dauerte es nur 15 bis 16 Tage. Im Mittel benötigte die Wundheilung bei nächtlichen Verbrennungen 28, bei tagsüber zugezogenen nur 17 Tage.

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„Zum ersten Mal belegt dies, dass zirkadiane Faktoren auch für die Wundheilung wichtig sind“, sagt Koautor John Blaikley von der University of Manchester. Der Zeitpunkt einer Verletzung spielt demnach eine entscheidende Rolle dafür, wie schnell und gut die Wunde heilt. „Es könnte sein, dass unser Körper dies als Anpassung entwickelt hat: Er heilt tagsüber schneller, weil das die Zeitphase ist, in der wir uns am wahrscheinlichsten verletzen“, sagt Hoyles Kollege John O’Neill. Das Spannende daran: „Bei Zellen und Mäusen haben wir schon festgestellt, dass wir die Wundheilung beschleunigen können, indem wir die Zellen über die wirkliche Tageszeit täuschen – beispielsweise indem wir nachts das Licht anmachen oder bestimmte chemische Wirkstoffe nutzen, die die biologische Uhr umstellen können“, erklärt O’Neill. Möglicherweise könnte sich dieses zeitliche Austricksen auch beim Menschen nutzten lassen, um die Wundheilung bei nächtlichen Verletzungen zu verbessern. Auch für Operationen könnte dieses Wissen wichtig sind.

Quelle:

© wissenschaft.de – Nadja Podbregar
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