Hassan ist mit einer schlimmen Bürde auf die Welt gekommen: Er besitzt schadhafte Gene, die für die Bildung von Eiweißen verantwortlich sind, die wiederum für den Hautaufbau nötig sind. Die untauglichen Eiweiße führen zu drastischen Effekten: Bereits geringe Reizungen können auf der Hautoberfläche der Betroffenen Blasen und Wunden hervorrufen, was letztlich zu Hautverlusten und Vernarbungen führt. Dies kann lebensbedrohliche Ausmaße erreichen. Die genetisch bedingte Hautkrankheit wird als Schmetterlingskrankheit (Epidermolysis bullosa) bezeichnet – sie ist unheilbar.
Neues Therapiekonzept
Als der damals siebenjährige Hassan im Juni 2015 auf der Kinderintensivstation des Katholischen Klinikums in Bochum eingeliefert wurde, stand es schlecht um ihn: 60 Prozent seiner Oberhaut waren bereits zerstört, was weitere Folgen nach sich zog: „Er litt an einer ausgeprägten Sepsis mit hohem Fieber und wog nur noch 17 Kilogramm – ein lebensbedrohlicher Zustand“, berichtet Oberarzt Tobias Rothoeft. Nachdem alle etablierten Behandlungsformen versagt hatten, entschied sich das Team für einen gewagten Ansatz: In Abstimmung mit allen Verantwortlichen, setzten sie weltweit erstmals eine großflächige Transplantation genetisch modifizierter epidermaler Stammzellen ein.
Dem Patienten wurden dazu zunächst Stammzellen mittels Biopsie aus der Haut entnommen. Im Center für Regenerative Medizin der Universität Modena schleusten ihnen Forscher dann das intakte Gen für die Bildung der funktionstüchtigen Hauteiweiße ein. Als Fähren kamen dabei sogenannte retrovirale Vektoren zum Einsatz. Es handelt sich um gezielt für den Gentransport veränderte Viruspartikel. Die auf diese Weise genetisch modifizierten Stammzellen wurden anschließend im Labor zu Hauttransplantaten herangezogen.
Fast ein Quadratmeter Zucht-Haut transplantiert
Diese Stücke transplantierten dann Mediziner des Universitätsklinikums für Plastische Chirurgie des Bergmannsheils in Bochum dem kleinen Patienten auf die vielen betroffenen Körperteile: „Insgesamt wurden 0,94 Quadratmeter transgene Epidermis zur Deckung aller Defekte und damit 80 Prozent der Körperoberfläche des Patienten transplantiert“, berichtet Oberarzt Tobias Hirsch. Wie sich zeigte, erfolgreich: Die transgenen Stammzellen bildeten durch das intakte Eiweiß eine funktionstüchtige neue Oberhaut, dokumentierten die Untersuchungen.
Wie das Team berichtet, wurde die Behandlung zum Wendepunkt im Leben des Jungen:
Heute, fast zwei Jahre nach Beginn der Therapie, zeigt sich der Erfolg deutlich: Es hat sich an den behandelten Stellen eine belastbare Haut mit intakter Rückfettung und sogar Haarwachstum gebildet. Hassan besucht nun die Grundschule und nimmt am sozialen Leben teil, berichtet das internationale Behandlungsteam.
Der Fall gilt in dieser Dimension nun weltweit als einzigartig und könnte wegweisend wirken: „Dieser Ansatz bietet erhebliches Potenzial für die Erforschung und Entwicklung neuer Therapieverfahren zur Behandlung der Schmetterlingskrankheit und von Patienten mit großen Hautschädigungen“, resümiert Hirsch.