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Was das Alarmsystem des Hungers abschaltet

Gesundheit|Medizin

Was das Alarmsystem des Hungers abschaltet
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Das Verdauungssystem ist mit dem Gehirn raffiniert verknüpft. (Illustration: University of Pennsylvania)
Hunger – dieses Gefühl sagt uns: Iss etwas, damit ich weggehe. Hinter diesem Zusammenhang stecken Nerven- und Hirnfunktionen, in die Forscher nun interessante Einblicke gewonnen haben. Den Ergebnissen bei Mäusen zufolge kann der alleinige Glaube an eine Energiezufuhr den Trieb zu essen nur sehr kurzfristig abschalten. Nur wenn das Gehirn ein Signal vom Magen erhält, dass tatsächlich Kalorien aufgenommen wurden, verschwindet der Hunger nachhaltig. In den Detailinformation der Untersuchungsergebnisse steckt den Forschern zufolge Potenzial für die Entwicklung von Behandlungsstrategien bei problematischem Essverhalten.

Die aktuelle Studie der Forscher um Nicholas Betley von der University of Pennsylvania in Philadelphia basiert auf ihren früheren Untersuchungen einer Hirnregion, die das Hungergefühl steuert. Sie konnten bei Versuchstieren zeigen, dass die sogenannten AgRP-Neuronen im Hypothalamus bei Hungergefühlen sehr aktiv sind. Beim Essen werden sie besänftigt und sogar schon das bloße Riechen oder Sehen von verfügbarer Nahrung kann zu einem raschen Rückgang ihrer Aktivität führen, zeigten die Ergebnisse. „Hungrig zu sein, fühlt sich unangenehm an, und das sind die Neuronen, die das vermitteln“, sagt Betley. Die aktuelle Studie sollte nun genauere Einblicke in die Funktion und Aktivierungsweise dieser Neuronen ermöglichen.

Kalorienfreies Erdbeer-Gel im Test

Ihre Experimente führten die Forscher mit Mäusen durch, die gentechnisch verändert waren, sodass die Aktivität der AgRP-Neuronen erfasst werden konnte, während die Tiere aktiv waren. Die Forscher bestätigten zunächst, dass die AgRP-Neuronenaktivität durch das Erwarten und Fressen bekannter Nahrung abnahm und anschließend auch niedrig blieb. Dann präsentierten sie den Tieren jedoch Futter, das sie noch nie zuvor gesehen hatten und das dementsprechend nicht mit einem Sättigungsgefühl verbunden war: ein kalorienfreies Gel mit Erdbeergeschmack.

Wie sie feststellten, hatte der Anblick und der Geruch dieser unbekannten Substanz keinen Einfluss auf die Aktivität der AgRP-Neuronen. Erst das Fressen des kalorienfreien Gels führte zunächst zu einer Abnahme der Hunger-Neuronenaktivität. Aber: Diese Besänftigung dauerte nur etwa 200 Sekunden an, berichten die Forscher. Wiederholte Gaben des kalorienfreien Gels führten dann auch zu einer weiteren Abnahme dieses vorübergehenden Effekts. Den Forschern zufolge geht daraus hervor: Die Tiere brachten die Merkmale dieses Nahrungsmittels mit einem Mangel an Kalorien in Verbindung.

Der tatsächliche Nährstoffgehalt macht’s

Wenn die Forscher den Tieren später jedoch ein kalorienhaltiges Gel mit dem gleichen Geschmacksprofil verabreichten, nahm die AgRP-Neuronenaktivität nach dem Essen ab und blieb niedrig. Und nach einer weiteren Präsentation des kalorienreichen Gels sahen die Forscher dann auch den Erwartungseffekt: den antizipatorischen Abfall der AgRP-Neuronenaktivität. Er deutet darauf hin, dass die Tiere gelernt hatten, den Geschmack und das Aussehen des Gels mit tatsächlicher Sättigung zu verknüpfen. Weitere Versuche bestätigten anschließend ebenfalls die Erkenntnis: Bei der Besänftigung der AgRP-Neuronenaktivität ist der Kaloriengehalt der Substanz ausschlaggebend, die im Magen ankommt.

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Durch weitere Untersuchungen fanden die Forscher außerdem Hinweise darauf, worauf die schnelle Informationsvermittlung über den Nahrungsgehalt im Magen basiert. Es zeigte sich, dass die kombinierte Gabe der Hormone Cholecystokinin, Peptid YY und Amylin, die während der Verdauung freigesetzt werden, die AgRP-Neuronenaktivität deutlich reduziert.

Diese Hormone sind interessanterweise bereits als Appetitzügler bekannt und werden zur Behandlung von Fettleibigkeit beim Menschen eingesetzt. Allerdings galt dies bislang als problematisch: Therapien, bei denen diese drei Hormone einzeln verabreicht werden, führen häufig zu Übelkeit, wegen der hohen Dosen, die für einen Effekt nötig sind. Den Ergebnissen der Forscher zufolge könnte ein niedrigdosierter Cocktail aus den drei Hormonen besser verträglich und dennoch effektiv sein.

Wie Betley und seine Kollegen betonen, steckt in der weiteren Erforschung der AgRP-Neuronenaktivität und ihrer Bedeutung noch viel Potenzial hinsichtlich der Behandlung von Fettleibigkeit. Dabei zeichnen sich nicht nur pharmazeutische Möglichkeiten ab, sondern auch Hinweise für die Entwicklung von Verhaltensstrategien, die Nahrungsaufnahme reduzieren könnten. „Es wäre beispielsweise interessant zu sehen, ob der häufigere Verzehr von kleineren Mahlzeiten zu weniger Aktivität in den Neuronen und damit zu einer geringeren Nahrungsaufnahme insgesamt führt“, sagt Betley.

Originalarbeit der Forscher:

© wissenschaft.de – Martin Vieweg
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