Fließen, aber bei Verletzung nicht ausfließen – das Blut muss zwei Funktionen erfüllen, die schwer vereinbar sind: Der Lebenssaft soll durch unsere Adern pulsieren, ohne blockierende Klumpen zu bilden. Doch bei einer Verletzung muss das Blut eine Barriere bilden, damit es nicht immer weiter ausläuft. Offenbar stellt diese Doppelfunktion eine Schwachstelle des Menschen dar. Manche neigen zur Bildung von Blutgerinnseln, wo diese Hindernisse nicht hingehören: Herzinfarkt, Schlaganfall oder Lungenembolie drohen. Auch im Rahmen von medizinischen Maßnahmen, wie beispielsweise dem Anschluss an eine Herz-Lungen-Maschine können Blutgerinnsel zu einem Risikofaktor werden.
Um die Gefahr einzudämmen oder um bereits vorhandene Blutpfropfen aufzulösen, werden in der Medizin Blutverdünner eingesetzt. „Alle bislang verwendeten Substanzen, beeinträchtigen aber auch die Schutzfunktion der Blutgerinnung, so dass lebensgefährliche Blutverluste die Folge sein können“, erklärt Thomas Renné vom Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf. Beispielsweise können Hirnblutungen bedrohliche Ausmaße erreichen. Außerdem müssen Patienten mehrere Tage vor einem OP-Termin die Blutverdünner absetzen, damit sich die Schutzfunktion der Blutgerinnung bei solchen Eingriffen wieder ausreichend ausbilden kann.
Antikörper vermitteln Thrombose Schutz ohne den heiklen Preis
Die Wissenschaftler berichten nun über die Entwicklung eines Wirkstoffes, der auf einem Antikörper basiert, der die gesunde Blutgerinnung nicht beeinträchtigt. „Dieser Antikörper blockiert das Enzym Faktor XII, den so genannten Hageman-Faktor. Dieses Enzym ist mitverantwortlich für die Entstehung von Thrombosen, spielt aber offenbar keine wichtige Rolle bei den Blutgerinnungsprozessen“,erklärt Renné. Menschen, denen Faktor XII fehlt, haben Untersuchungen zufolge bei Verletzungen eine völlig normale Blutgerinnung.
Das Forscherteam konnte nachweisen, dass der Antikörper sich direkt an das aktive Zentrum des Enzyms anheftet und es gezielt blockiert. Die Forscher untersuchten den Effekt des Antikörpers bisher bei Mäusen und Kaninchen. Tests zur klinischen Anwendbarkeit, etwa bei Herz-Lungen-Maschinen, verliefen ebenfalls erfolgreich. „Die Gabe von 3F7 verhindert effektiv das Entstehen neuer Thrombosen. Gleichzeitig steigt das Risiko von Blutungen nicht an“, resümiert Renné.
Verlaufen die weiteren Untersuchungen und die sich anschließenden klinischen Prüfungen weiter so vielversprechend, hoffen die Forscher, dass in fünf bis zehn Jahren Medikamente auf der Basis des Antikörpers 3F7 auf den Markt kommen. So könnte eine risikoarme Therapie zur Vorbeugung von Schlaganfällen, Herzinfarkten und Embolien endlich möglich werden.