Anzeige
1 Monat GRATIS testen, danach für nur 9,90€/Monat!
Startseite »

Influenza H10N8: Kandidat für eine neue Pandemie?

Erde|Umwelt Gesundheit|Medizin

Influenza H10N8: Kandidat für eine neue Pandemie?
14-05-28-influenza.jpg
Modell eines Influenza-Virus mit seinen Oberflächenproteinen (CDC)
Wieder eine neue Vogelgrippe- und wieder ein Virus mit Potenzial zur Pandemie. In China haben sich seit Anfang dieses Jahres drei Menschen mit einer neuen Variante der Vogelgrippe angesteckt, zwei davon starben wenige Tage später. Britische Forscher haben nun untersucht, welche Gefahr für eine Ausbreitung des Virus vom Typ H10N8 unter Menschen besteht. Dabei zeigte sich: H10N8 kann sich durchaus problemlos mit menschlichen Zellen verbinden, bevorzugt aber bisher noch die Andockstellen von Vogelzellen. Dass sich eine solche Vorliebe schnell ändern kann, demonstrierte allerdings 1918 schon der Erreger der Influenza-Pandemie von 1918. Auch er wurde dank einer Anpassung seiner Vorliebe zum weltweiten Killer.

Die neue Influenza-Variante hat ihren Ursprung in China, wie schon viele frühere. Denn dort leben Menschen und Hausgeflügel eng zusammen, Übertragungen vom Tier zum Menschen sind daher leichter möglich als bei uns. Im Dezember 2013 meldeten Behörden der Provinz Jiangxi erstmals einen Grippefall mit einem neuen, zuvor beim Menschen unbekannten Erreger. Die 73-jährige Frau litt unter Husten und hohem Fieber, auch im Krankenhaus konnte die Infektion nicht gestoppt werden. Neun Tage später starb sie. In ihren Geweben fanden Forscher ein Influenza-Virus des Typs H10N8. Seither sind zwei weitere Fälle dieser neuen Vogelgrippe aufgetreten, einer der beiden Patienten ist ebenfalls gestorben. Untersuchungen ergaben, dass H10N8 sich mit Andockstellen auf Zellen der Lunge und der Luftröhre verbinden kann. Über diesen Weg bekommt der Erreger Zugang zu den Zellen und löst die Infektion aus.

Infektion von Menschen schon möglich

„Das Influenza-Virus H10N8 ist nur das letzte in der Reihe der Vogelgrippe-Viren, die beim Menschen schwere Erkrankungen auslösen können und eine potenzielle Gefahr für die menschliche Gesundheit darstellen“, erklären Sebastien Vachieri und seine Kollegen vom MRC National Institute for Medical Research in London. Die meisten Grippe-Wellen und auch die große Pandemie des Jahres 1918 wurden von Influenzaviren ausgelöst, die sich aus Vorläufern in Vögeln entwickelten. Bisher deutet aber alles darauf hin, dass sowohl H10N8 als auch das seit letztem Jahr in China verbreitete Vogelgrippe-Virus H7N9 zwar Menschen infizieren können, ihre Anpassung an diesen neuen Wirt aber noch nicht ausreicht, um effektiv von Mensch zu Mensch überzuspringen. Um herauszufinden, wie groß die Gefahr ist, dass H10N8 diesen Anpassungsschritt in absehbarer Zeit vornimmt, haben die Forscher sein Bindungsverhalten genauer analysiert.

Für ihre Studie nutzten sie eine Probe der in China bei der ersten Patientin isolierten H10N8 Viren und zum Vergleich den bei Vögeln verbreiteten verwandten Virenstamm, H10N2. Einen Teil der Virenproben bereiteten die Forscher für eine Kristallstrukturanalyse mittels Röntgenstrahlen vor. Sie ermöglicht es, die genaue Molekülstruktur der viralen Oberflächenproteine zu bestimmen – und damit der Proteine, die für die Bindung der Viren an die Zellen entscheidend sind. Parallel dazu testeten die Forscher die Art und Stärke der Bindung der Influenzaviren mit menschlichen und aviären Schleimhautzellen.

Vorliebe für Vogelzellen – noch

Die Tests ergaben, dass H10N8 deutlich fester an die menschlichen Zellen andockt als selbst einige Virenvarianten der Menschengrippe. Die Bindung ist dabei fast so stark wie bei dem Erreger der Pandemie von 1918 und der Hongkong-Grippe von 1968. „Unsere Ergebnisse zeigen, dass das H10-Virus eine große Begierde für menschliche Rezeptoren besitzt“, berichten die Forscher. Das grundlegende Rüstzeug, um menschliche Zellen zu infizieren, hat das neue Influenza-Virus demnach bereits. Das bestätigten auch die Röntgenstrukturanalysen: Die Struktur des H10-Oberflächenproteins erlaubt es dem Virus, auf ähnliche Weise an die Andockstellen zu binden wie einige humane Grippeviren. „Die Tatsache, dass H10N8 eine substanzielle Affinität zu menschlichen Rezeptoren hat, erlaubte es ihm, die Artschranke zwischen Vogel und Mensch zu überwinden“, konstatieren Vachieri und seine Kollegen.

Anzeige

Ein entscheidender Faktor unterscheidet H10N8 allerdings noch von den gefürchteten Erregern der großen Grippe-Pandemien: Bisher hat das Virus noch eine ausgeprägte Vorliebe für die auf Vogelzellen vorkommenden Andockstellen. An sie bindet er 150 Mal stärker als an die menschliche Rezeptor-Variante. Bei dem Erreger der Pandemie von 1918 war das Umgekehrte der Fall: Er befiel bevorzugt und sehr effizient menschliche Zellen, wie die Forscher berichten. Allerdings: Von der einen zur anderen Vorliebe ist es nur ein kleiner Schritt – ein Schritt, den andere Influenza-Viren bereits gegangen sind. „Unsere Daten deuten darauf hin, dass H10N8 genau die Art von Mutationen benötigt, die auch bei früheren Pandemie-Viren schon auftraten“, sagen Vachieri und seine Kollegen. Ob er der Vorläufer einer neuen Pandemie sei, bleibe daher abzuwarten. In jedem Falle raten die Forscher zu einer intensiven Überwachung des Infektions-Geschehens.

Quelle:

© wissenschaft.de – Nadja Podbregar
Anzeige

Wissenschaftsjournalist Tim Schröder im Gespräch mit Forscherinnen und Forschern zu Fragen, die uns bewegen:

  • Wie kann die Wissenschaft helfen, die Herausforderungen unserer Zeit zu meistern?
  • Was werden die nächsten großen Innovationen?
  • Was gibt es auf der Erde und im Universum noch zu entdecken?

Hören Sie hier die aktuelle Episode:

Aktueller Buchtipp

Sonderpublikation in Zusammenarbeit  mit der Baden-Württemberg Stiftung
Jetzt ist morgen
Wie Forscher aus dem Südwesten die digitale Zukunft gestalten

Wissenschaftslexikon

Ou|ver|tü|re  〈[uvr–] f. 19; Mus.〉 musikal. Vorspiel (zu einem Bühnenwerk, bes. zu Oper u. Operette) [<frz. ouverture … mehr

ot|i|a|trisch  〈Adj.; Med.〉 = otologisch

Ju|den|bart  〈m. 1u; unz.; Bot.; volkstümlicher Name für〉 1 als Ampelpflanze sehr beliebter Rankender Steinbrech: Saxifraga sarmentosa 2 Efeublättriges Leinkraut: Linaria cymbolaria … mehr

» im Lexikon stöbern
Anzeige
Anzeige
Anzeige