Den Wissenschaftlern um Harvey Lodish vom Whitehead Institute for Biomedical Research in Cambridge zufolge bieten rote Blutkörperchen ideale Voraussetzungen für den Einsatz als therapeutische Vehikel. Sie sind organisch, haben eine lange Lebenspanne von bis zu 120 Tagen und besitzen darüber hinaus eine weitere wichtige Besonderheit: Ihn fehlt der Zellkern – bei ihrer Bildung aus Vorgängerzellen verlieren sie alle genetische Information. Deshalb kann man die Eigenschaften der Erythrozyten durch die gentechnische Veränderung der Vorgängerzellen beeinflussen, ohne dass sie selbst am Ende manipulierte DNA tragen. Das verhindert ein mögliches Krebsrisiko oder einen anderweitigen unerwünschten Gen-Effekt, sagen die Forscher.
Ihre Versuche führten sie mit Vorläuferzellen von roten Blutkörperchen von Mäusen und Mensch in Zellkultur durch. „Wir wollten rote Blutkörperchen erzeugen, die mehr als nur Sauerstoff transportieren können“, sagt Lodish. Wie sie nun der Zeitschrift PNAS berichten, ist ihnen dies offenbar geglückt. Sie haben erfolgreich Gene in die Vorläuferzellen eingeschleust, so dass aus ihnen Erythrozyten mit gewünschten Eigenschaften entstehen. Sie besitzen auf ihren Oberflächen Eiweiße, die sich gezielt nutzen lassen: Sie ermöglichen in Kombination mit bestimmten Verfahren eine Bindung mit gewünschten Substanzen. Ansonsten besitzen die roten Blutkörperchen normale Eigenschaften, sagen die Forscher.
Viele Anwendungsmöglichkeiten
Ihnen zufolge steckt in dem Konzept großes Potential: „Da die künstlich veränderten roten Blutkörperchen bis zu vier Monate im Körper kreisen, könnte man sich beispielsweise vorstellen, dass sie mit Antikörpern gegenüber einem Gift bestückt sind“, sagt Co-Autor Hidde Ploegh. „So könnte man eine langanhaltende Entgiftung gewährleisten.“ Ähnliches gilt auch für andere Einsatzmöglichkeiten: Beispielsweise könnten Blutkörperchen mit speziellen Oberflächeneigenschaften schlechte Blutfette einsammeln oder Wirkstoff-beladene Versionen könnten entzündungshemmende Effekte im Körper verbreiten.
Auch Impfstoffe oder andere Substanzen, die gegen Krankheitserreger wirken, kommen natürlich als Fracht der Biotech-Blutkörperchen in Frage, betonen die Wissenschaftler. Das hat offenbar bereits das Interesse des US-Militärs geweckt: Die Defense Advanced Research Projects Agency (DARPA) unterstützt das Forschungsprojekt der Wissenschaftler. Das Militär ist dabei an der Entwicklung von Möglichkeiten interessiert, Schutz vor biologischen Kampfstoffen zu gewährleisten. Man darf also gespannt sein, welche Anwendungen sich aus dem Konzept der Biotech-Blutkörperchen tatsächlich entwickeln werden.