Der Kreisrunde Haarausfall ( Alopecia areata) gehört zu den häufigsten Haarerkrankungen, allein in Deutschland sind mehr als 1,4 Millionen Menschen betroffen. Erkranken können Personen jeden Alters, oft tritt der Haarausfall aber auch familiär gehäuft auf. Typischerweise bilden sich erst kleinere, runde kahle Stellen am Kopf oder auch im Bart der Patienten, die an Größe und Menge zunehmen. Bei rund der Hälfte der Betroffenen wachsen die Stellen nach einigen Monaten wieder zu, dafür werden andere kahl. Bei einigen bleibt die Kahlheit aber dauerhaft und kann im Extremfall zum Verlust aller Kopfhaare führen. Schon länger ist bekannt, dass eine Fehlreaktion des Immunsystems diesen Haarausfall verursacht: Abwehrzellen greifen die Haarfollikel an und unterbinden so den Haarwuchs. Vor vier Jahren fanden Forscher dann heraus, dass die Haarfollikel der Patienten einen Überschuss zweier „Alarm-Moleküle“ produzieren, die die zerstörerischen Abwehrzellen anlocken.
Haare wachsen wieder nach
Raphael Clynes von der Columbia University in New York und seine Kollegen schlüsselten das molekulare Geschehen an den Haarwurzeln nun weiter auf und machten dabei eine vielversprechende Ansatzstelle für ein Medikament ausfindig. Wie sich in Zellkultur-Experimenten herausstellte, lösen die Alarm-Moleküle eine ganze Reaktionskaskade aus, in der Verlauf Interferone und Interleukine freigesetzt werden. Diese Immun-Botenstoffe veranlassen bestimmte T-Zellen der Abwehr dazu, die Haarfollikel an zugreifen. Ausgehend von diesen Erkenntnissen, konnten die Forscher erste Gegenmittel gegen diese Autoimmun-Krankheit testen. Sie verabreichten Alopecia areata erkrankten Mäusen zwei verschiedene, auf Antikörpern basierende Hemmstoffe, die die Wirkung der Interferone blockierten. Der Erfolg war durchschlagend: Zwölf Wochen nach Beginn der Behandlung waren die kahlen Stellen bei allen Mäusen komplett wieder zugewachsen, wie die Wissenschaftler berichten. Die Therapie wirkte zudem langfristig, denn auch Monate nach Ende der Behandlung kamen die kahlen Stellen nicht wieder.
Die entscheidende Frage war nun, ob die Therapie auch beim Menschen wirkt. Dabei kam den Forschern zugute, dass Ruxolitinib, einer der beiden Antikörper-Hemmstoffe, bereits von der US-Arzneimittelbehörde FDA für die Behandlung einer Bluterkrankung zugelassen ist. Seine Verträglichkeit für den Menschen war daher schon geprüft. Deshalb konnten Clynes und seine Kollegen nach Erfolg der Mäusetests sofort eine erste vorläufige klinische Studie mit menschlichen Alopecia-Patienten beginnen. Diese läuft zwar noch, doch schon jetzt zeigt sich die Wirksamkeit des Mittels: Drei Monate nachdem die Patienten damit begannen, eine ruxolitinibhaltige Lösung auf ihre kahlen Stellen aufzutragen hatten, waren die Haare dort wieder nachgewachsen.
„Wir haben erst mit den Tests begonnen, aber wenn das Mittel weiter so erfolgreich und sicher wirkt, bedeutet dies dramatische Verbesserungen für Menschen mit dieser Krankheit“, sagt Clynes. Erstmals könnte damit ein Heilmittel für die Alopecia areata in Sicht sein. Sollten auch die folgenden klinischen Studien positiv sein, könnte das neue Medikament schon in den nächsten Jahren auf den Markt kommen.