Trotz großer Fortschritte ist Krebs immer noch die zweithäufigste Todesursache in der westlichen Welt. Neue Ideen für Therapieformen sind deshalb gefragt. Bakterienvermittelte Tumortherapie, so nennt sich in diesem Zusammenhang das Forschungsziel der Wissenschaftler vom Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung (HZI) in Braunschweig. Das Prinzip: In eine Vene injiziert, lösen Salmonellen im Körper eine spontane Immunreaktion aus, die sich gegen den Krebs richtet.
Feinde sollen zu Verbündeten werden
Zellen des Immunsystems alarmieren dabei den Körper durch die Ausschüttung von Botenstoffen. „Dies führt zu einer Unterbrechung der Sauerstoffversorgung im Tumor. Außerdem kommt es zu einer Besiedlung des Tumors durch die Bakterien“, erklärt Forschungsleiter Siegfried Weiß. Die Behandlung führt zwar in Mäusen oft zu einem kompletten Rückgang von Tumoren. Doch leider schaden die aggressiven Bakterien den Tieren oft mehr als der Krebs selbst. „Wir dürfen nicht vergessen, dass wir es mit Krankheitserregern zu tun haben“, so Weiß.
Wie die Wissenschaftler nun herausfanden, hängt die Reaktion des Immunsystems von einem Oberflächenbestandteil der Salmonellen ab, einem sogenannten Lipopolysaccharid (LPS). Dieses langkettige Molekül ist sowohl für deren Gefährlichkeit verantwortlich, als auch für ihre Widerstandsfähigkeit der Salmonellen gegenüber dem Immunsystem. „Selbst wenn die Bakterien von Immunzellen aufgenommen werden, entgehen sie dort der Vernichtung. So können sie sich sogar in den Zellen vermehren. Dadurch kommt es zu einer Ausbreitung der Infektion“, sagt Co-Autor Michael Frahm.
Schaltbare Aggressivität
Zunächst testeten die Forscher deshalb „kastrierte“ Salmonellen auf ihre Wirksamkeit gegenüber Tumoren. „Zunächst haben wir die Therapie mit genetisch veränderten Salmonellen wiederholt, bei denen diese LPS-Ketten künstlich verkürzt wurden“, sagt Weiß. „Dabei zeigte sich allerdings, dass die abgeschwächten Bakterien auch die Wirkung gegen die Tumore verloren hatten. Aus dieser Not heraus kamen wir auf die Idee, die bakterielle Aggressivität fernzusteuern.“
Die Forscher veränderten die Salmonellen dazu so, dass sie nur in einem speziellen Nährmedium zu aggressiven Killern heranwachsen. Sobald sie aber injiziert werden und der spezielle Nährstoff fehlt, wandeln sie sich innerhalb weniger Stunden in die harmlosere Version um. „Das Besondere ist, dass das Immunsystem so zunächst stark reagiert, aber anschließend die harmlosen Bakterien erfolgreich eliminieren kann. Die Bakterien wandern jedoch trotzdem in den Tumor ein“, sagt Frahm. Der Anti-Tumor-Effekt bleibt bei diesem Verfahren also bestehen. Da die Salmonellen allerdings nach Erfüllung ihrer Mission ihre Aggressivität verlieren, kommt es nur zu geringen Komplikationen, erklären die Forscher.
Wichtiger Schritt zum Ziel einer Tumortherapie
Ihnen zufolge handelt es sich bei diesem Ergebnis um einen wichtigen Schritt zur Entwicklung einer bakterienvermittelten Tumortherapie. Nun gilt es, diesen Ansatz weiter zu untersuchen und zu optimieren: „Der Weg bis zur klinischen Anwendung ist noch sehr weit, aber vielversprechend ist er allemal“, sagt Weiß.