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Immunschwach durch Schlafmangel

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Immunschwach durch Schlafmangel
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Wenn wir zu wenig schlafen, stört dies das Langzeitgedächtnis des Immunsystems (OcusFocus/ thinkstock)
Schlaf ist wichtig für unser Gehirn, denn in dieser Ruhezeit regeneriert es sich und verarbeitet das am Tag Gelernte. Doch der Tiefschlaf könnte auch für unser Immunsystem eine bislang übersehene Rolle spielen, meinen Lübecker Forscher. Denn es gibt überraschende Parallelen zwischen Gehirn und Immunabwehr: Beide übertragen im Schlaf Erinnerungen in das Langzeitgedächtnis. Im Falle des Immunsystems sind dies die Gedächtniszellen, die über Jahre die charakteristischen Informationen eines Erregers speichern.

Wenn unsere Immunabwehr das erste Mal mit einem noch unbekannten Erreger konfrontiert wird, beginnt eine ganze Kaskade von Ereignissen. Neben dem Kampf gegen die Eindringlinge schwärmen dabei sogenannte antigenpräsentierende Zellen aus. Sie verschlingen den Erreger und brechen seine Erkennungszeichen – die Oberflächenproteine – zu kleineren Peptiden herunter. Dann kehren sie in die Lymphknoten zurück und heften diese Peptide auf ihre Außenhülle. „Auf diese Weise kodiert das Immunsystem erste Informationen über Antigene, die mehrere Stunde lang erhalten bleiben“, erklären Jürgen Westermann und seine Kollegen von der Universität Lübeck. Ihrer Ansicht nach lässt sich diese Speicherung von Erregerinformationen mit unserem Kurzzeitgedächtnis vergleichen. Denn auch in diesem werden Informationen zunächst relativ ungeordnet und vorübergehend abgespeichert, allerdings nicht in Form von Zellkomponenten, sondern im neuronalen Netzwerk des Hippocampus.

Der zweite Schritt ist entscheidend

Der entscheidende zweite Schritt aber passiert der gängigen Theorie nach nachts: Im Schlaf prüft und sortiert unser Gehirn die Daten im Kurzzeitgedächtnis und überträgt dann einige von ihnen in das Langzeitgedächtnis. Dabei werden viele Eindrücke und Erfahrungen in eine abstrakte allgemeinere Form überführt, wie die Forscher erklären. Fehlt die Ruhephase des Schlafes, dann ist dieser Übertragungsprozess gestört, wie Lernexperimente zeigen. Umgekehrt kann ein Nickerchen nach einer Lernphase das Gedächtnis stärken. Soweit, so bekannt. Doch die Tübinger Wissenschaftler haben Daten zusammengetragen, nach denen der Schlaf auch für ein Gedächtnis der anderen Art wichtig sein könnte: das Gedächtnis des Immunsystems. „Während es schon seit langem bekannt ist, dass Schlaf die Bildung von Langzeit-Erinnerungen stärkt, ist die Vorstellung, dass dies auch für andere Organsysteme gelten könnte, völlig neu“, konstatiert Seniorautor Jan Born.

Konkret bedeutet dies: Unsere Immunabwehr erkennt beispielsweise Masernviren noch Jahre nach einer Impfung oder Erkrankung – es erinnert sich sozusagen an sie. Der Grund dafür sind aber nicht die antigenpräsentierenden Zellen in den Lymphknoten, sie sind dafür viel zu kurzlebig. Stattdessen findet auch in der Immunabwehr eine Übertragung in eine langlebigere Form der Erinnerung statt: T-Zellen lesen die Peptide auf der Oberfläche der antigenpräsentierenden Zellen aus und werden zu spezifischen Gedächtniszellen.

Mehr Gedächtniszellen nach dem Tiefschlaf

Das Interessante dabei: „Mehrere Studien am Menschen zeigen, dass Schlaf diese Reaktion des Immunsystems und damit die Bildung des Immungedächtnisses fördert“, berichten die Forscher. So lassen sich bei Versuchspersonen deutlich mehr Gedächtniszellen und erregerspezifische Antikörper nachweisen, wenn sie in den 24 Stunden nach einer Impfung ausreichend Zeit im Tiefschlaf verbrachten. „Zudem gibt es Belege dafür, dass Hormone, die während des Schlafes freigesetzt werden, den Austausch zwischen den antigenpräsentierenden Zellen und den T-Zellen fördern“, ergänzt Born. Sie sorgen möglicherweise dafür, dass in den Lymphknoten genügend antigenpräsentieren Zellen mit ihren jeweils leicht verschiedenen Peptidstückchen anwesend sind.

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Nach Ansicht der Forscher sind dies klare Parallelen zum neuronalen Gedächtnis: Auch hier gibt es zwei Schritte und auch hier spielt der Schlaf für den Übergang zwischen beiden eine entscheidende Rolle. „Trotz der offensichtlichen Unterschiede zwischen dem Zentralnervensystem und dem Immunsystem basiert die Bildung von Langzeiterinnerungen auf den gleichen Prinzipien“, konstatieren Westermann und seine Kollegen. Bei beiden Systemen könnte sogar das Stresshormon Cortisol eine wichtige Rolle spielen: Ist es in Mengen vorhanden, beeinträchtigt dies sowohl das Langzeitgedächtnis als auch das Immunsystem. Im Tiefschlaf jedoch sinkt dessen Freisetzung – und das fördert das langfristige Lernen im Gehirn und in den Abwehrzellen. Im Umkehrschluss könnte dies erklären, warum Schlafmangel Infektionen fördern kann: Wenn wir nicht genügend Zeit im Tiefschlaf verbringen, dann hat das Langzeitgedächtnis des Immunsystems Lücken.

Quelle:

© wissenschaft.de – Nadja Podbregar
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