Ob die Dioxin-Verseuchung auch das Risiko für Prostatakrebs erhöht, ließ sich jedoch lange nicht eindeutig feststellen. Denn diese Krebsart tritt typischerweise erst bei älteren Männern auf. „Jetzt sind die meisten Vietnam-Veteranen in ihren 60ern – in dem Alter, in dem Prostatakrebs am häufigsten diagnostiziert wird“, erklären Nathan Ansbaugh von der Oregon Health and Science University in Portland und seine Kollegen. Für ihre Studie werteten sie nun die Daten von 2.720 Vietnam-Veteranen aus, die sich wegen eines positiven Befunds im Portland Veterans Administration Medical Center einer Biopsie unterzogen hatten. Dabei prüften sie, ob es einen Zusammenhang gab zwischen dem Grad der früheren Belastung mit Agent Orange – die aus den Krankenakten hervorging – und der Häufigkeit und Art des Prostatakrebses.
75 Prozent höheres Risiko für aggressive Tumore
Das Ergebnis: Bei Veteranen, die früher dem Entlaubungsmittel ausgesetzt waren, wurde anderthalb mal so häufig Prostatakrebs diagnostiziert wie bei nicht exponierten Veteranen. Noch deutlicher aber war der Unterschied bei den besonders aggressiven Formen dieses Krebses: Für diese erhöhte sich das Risiko um 75 Prozent, und die tödlichste Variante kam sogar doppelt so häufig vor, wie die Forscher berichten. Das Agent Orange habe offenbar einen spezifischen und starken Effekt auf die aggressiven Tumore. Die nur langsam wachsende und selten metastasierende Krebsvariante werde dagegen nur wenig gefördert.
„Das ist ein wichtiger Unterschied, denn die Mehrheit der Prostatatumore ist nicht tödlich und erfordert keine aggressive Therapie“, erklärt Studienleiter Mark Garzotto, ebenfalls von der Oregon Health and Science University. Wenn man aber wisse, dass die Wahrscheinlichkeit für einen aggressiven Tumor bei denjenigen steige, die Agent Orange oder anderen dioxinhaltigen Chemikalien ausgesetzt waren, dann könne man diese Patienten gezielter untersuchen und im Sinne einer Früherkennung überwachen. „Unsere Ergebnisse sind aber auch eine erneute Warnung davor, welche potenziellen Folgen chemische Kontaminationen in Pestiziden haben können“, konstatiert Garzotto. Das gelte nicht nur für Kriegszeiten.