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Multikulti im Säugetierdarm

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Multikulti im Säugetierdarm
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Mikroskopische Aufnahme von Darmpilzen. Bild: Iliyan D. Iliev
Unser Darm beherbergt neben Bakterien auch eine ganze Reihe von Pilzen. Wenn der Körper diese nicht richtig in Schach hält, können sie den Verlauf chronischer Darmentzündungen verschlimmern, so das Ergebnis einer aktuellen Science-Veröffentlichung aus den USA.

Rund 100 Billionen (das sind 10 hoch 14) Bakterien bevölkern den Darm eines Menschen. ?Gute? Darmbakterien spielen eine wichtige Rolle bei der Verdauung und produzieren lebenswichtige Vitamine. Zu ihren Aufgaben gehört es auch, das Wachstum von ?schlechten? Darmbakterien zu hemmen ? denn wenn diese sich zu stark vermehren, drohen schwere Krankheiten wie Colitis ulcerosa.

Hierfür sind die Bakterien jedoch nicht alleine verantwortlich, auch Pilze tragen zum Ausmaß derartiger Krankheiten bei. Zu dieser Erkenntnis kamen Forscher um Iliyan Iliev und David Underhill vom Cedars-Sinai Forschungsinstitut für chronische Darmerkrankungen und Immunbiologie in Los Angeles. Sie hatten die Verbreitung von Pilzen im Darm von Säugetieren untersucht und getestet, welche Rolle diese bei chronischen Darmentzündungen spielen.

Zu diesem Zweck führten die Wissenschaftler DNA-Analysen durch und experimentierten mit Mäusen, bei denen sie ein Gen ausgeschaltet hatten, welches Dectin-1 produziert. Dectin-1 dient im Körper als Pilz-Polizei. Wenn es krankmachende Pilze erkennt, signalisiert das Dectin dem Immunsystem, diese zu bekämpfen.

Die Forscher fanden heraus, dass der gesamte Magen-Darm-Trakt von Mäusen mit Pilzen bevölkert ist. Die meisten von ihnen leben im Enddarm. Welchen Arten die Pilze angehören, bestimmten die Wissenschaftler anhand von deren DNA. Das Ergebnis kommentiert David Underhill, der Leiter der in Science publizierten Studie so: ?Wir waren geradezu überwältigt von der Erkenntnis, wie häufig Pilze im Darm sind, und konnten mehr als 100 verschiedene Arten identifizieren.?

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Mit Abstand am häufigsten fanden sie Candida tropicalis, einen Hefepilz, der dafür bekannt ist, dass er bei Patienten mit geschwächtem Immunsystem Krankheiten verursacht. Wenn die Forscher in den Mäusen ohne Dectin-1 eine Darmentzündung auslösten, konnten sie einen Anstieg des Anteils an potentiell krankmachenden Pilzen wie Candida tropicalis beobachten. Zuvor hatten sie schon festgestellt, dass Darminfektionen bei Dectin-1-losen Mäusen generell heftiger verlaufen als bei Mäusen mit Dectin-1. Außerdem drangen die Pilze bei den genetisch veränderten Mäusen verstärkt ins Darmgewebe ein, während sie bei kranken Mäusen mit Dectin-1 im Darmraum blieben. Nun fütterten die Forscher die Dectin-1-losen Mäuse vor der Darminfektion zusätzlich mit Candida tropicalis ? prompt verschlimmerten sich die Entzündungssymptome noch stärker. Hieraus zogen die Wissenschaftler den Schluss: Das Immunsystem der Mäuse ohne Dectin-1 kann pathogene Pilze im Darm nicht in Schach halten. Die Folge sind heftige Darmentzündungen.

Zusätzlich zu den Mäusen nahmen die Forscher auch den Stuhl von Ratten, Meerschweinchen, Kaninchen, Hunden und Menschen unter die Lupe ? und fanden überall Pilze. Anschließend konzentrierten sie sich auf die Dectin-1-Gene von Menschen, die unter so heftigen Darmentzündungen litten, dass ihnen ein Teil des Darms operativ entfernt werden musste. Dabei stellten sie fest, dass eine bestimmte Variante dieses Gens bei den Darmpatienten im Vergleich zu Gesunden besonders häufig vorkommt. Die Genvariante selbst komme zwar nicht als Ursache dafür in Frage, dass ein Mensch an Colitis ulcerosa oder etwas Ähnlichem erkranke, schreiben die Forscher. Aber sie könne schuld daran sein, dass eine Darmentzündung, die durch andere Faktoren ausgelöst wird, bei den Trägern dieser Variante besonders schlimm verläuft.

Nun hoffen die Forscher, dass langfristig die Therapien dieser häufigen Krankheiten verbessert werden können. ?Die Studie bringt uns einen entscheidenden Schritt weiter in dem Verständnis, wie Pilze zu Krankheiten beitragen und erweitert unser Wissen darüber, welche Arten von Pilzen in unserem Körper leben, gewaltig?, resümiert der Erstautor der Studie, Iliyan Iliev.

Iliyan D. Iliev (Cedars-Sinai Medical Center, Los Angeles) et al.: Science © wissenschaft.de – Maren Emmerich
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