Die Erreger des Rinderwahns (BSE) könnten sich möglicherweise unbemerkt im Lymphgewebe von Menschen festgesetzt haben, ohne eine Nervenerkrankung auszulösen. Darauf weisen nun Untersuchungen französischer Forscher an Mäusen hin. Sie konnten zeigen, dass artfremde Prionen in der Milz der Versuchstiere durchaus Ansteckungskraft entfalten konnten. Im Fokus entsprechender Untersuchungen stand bisher dagegen stets Nervengewebe ? hier fanden die Forscher allerdings keine Auswirkungen der Infektion mit den artfremden Prionen. Die Ergebnisse stellen nun die bisherige Annahme infrage, dass Prionen die Artgrenze zwischen Rindern und dem Menschen nur sehr schwer überwinden können. Den Forschern zufolge ist es also möglich, dass Infektionen mit BSE noch bei vielen Menschen unentdeckt vorliegen. Inwieweit dies die Gefahr einer Creutzfeldt-Jakob-Erkrankung, der menschlichen Form von BSE, beinhalten könnte, bleibt allerdings unklar.
Forscher hatten bisher angenommen, dass die Ansteckungsgefahr nur dann hoch ist, wenn Prionen innerhalb einer Spezies übertragen werden, denn es handelt sich um eine besondere Klasse von Krankheitserregern: Es sind keine Mikroorganismen, sondern fehlerhaft gefaltete Eiweiße, die ihre schädlichen Eigenschaften übertragen können. Gelangen sie in das Gehirn eines Organismus, stecken sie die dortigen gesunden Prion-Proteine mit ihrer fatalen Eigenschaft an und führen so zu fortschreitenden Störungen der Gehirnfunktion. Das Resultat sind dann Krankheiten wie der Rinderwahn bei Kühen, Scrapie bei Schafen oder die Creutzfeldt-Jakob-Krankheit beim Menschen. Wenn die Erreger dagegen von einer Spezies zur anderen gelangen, so die bisherige Annahme, dürften ihre die Proteinstrukturen nicht zusammenpassen, so dass die falsche Faltung nicht übertragen wird. Dementsprechend galt die Gefahr als gering, dass Menschen durch den Genuss von BSE- oder Scrapie-belasteten Fleischprodukten eine entsprechende Nervenerkrankung entwickeln. Die Ergebnisse der aktuellen Studie zeigen nun allerdings, dass zumindest die Übertragung des Erregers zwischen Arten leichter möglich ist als gedacht.
Genetisch veränderte Mäuse als Modell für den Menschen
Für ihre Untersuchungen nutzten die Forscher eine genetisch veränderte Zuchtlinie von Mäusen, die eine menschliche Variante gesunder Prion-Proteine in ihren Geweben produzierten. Diesen Versuchstieren injizierten sie BSE-Erreger aus Rindern direkt ins Gehirn. Nachfolgende Untersuchungen zeigten nun, dass die BSE-Prionen aus den Gehirnen der Mäuse nach und nach verschwanden – dort also nicht die gesunden menschlichen Prion-Proteine befielen. Zu einem anderen Ergebnis kam allerdings die Untersuchungen der Milz der Versuchstiere: In 26 von 41 Proben konnten die Forscher die Erreger nachweisen. Die Rinder-Prionen waren offenbar vom Gehirn in das Lymphgewebe der Mäuse gewandert und hatten dort die menschlichen Prion-Proteine angesteckt, obwohl sich ihr Muster unterscheidet.
Die Forscher um Vincent Béringue vom Institut National de la Recherche Agronomique im französischen Jouy-en-Josas halten es dementsprechend für möglich, dass Ähnliches auch im Rahmen der BSE-Krise in den 80er Jahren stattgefunden haben könnte. Viele Menschen tragen also möglicherweise BSE-Erreger in ihren Lymphgeweben, ohne dass dies mit bisherigen Nachweismethoden erkennbar gewesen wäre. Untersuchungen von Lymphgewebe sollten dies nun schnell klären, meinen die Forscher, denn möglicherweise bestehe die Gefahr, dass Prionen beispielsweise durch Bluttransfusionen übertragen werden könnten. Bei Mensch zu Mensch Übertragungen könnten dann womöglich am Ende doch Creutzfeldt-Jakob-Erkrankungen entstehen, warnen die Forscher.
Vincent Béringue (INRA, Jouy-en-Josas) et al.: Science, Bd. 335, S. 472 © wissenschaft.de ?
Martin Vieweg