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Mit dem Skalpell gegen Diabetes

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Mit dem Skalpell gegen Diabetes
Eigentlich sollen Magenbypass-Operationen vor allem stark Übergewichtigen beim Abnehmen helfen ? sozusagen als letzte Chance. Doch die Eingriffe, bei denen der verkleinerte Magen direkt an den Dünndarm angeschlossen wird, können noch mehr: Sie helfen unter anderem, den Blutzuckerspiegel wieder in die Reihe zu bekommen. Viele Diabetiker benötigen beispielsweise nach einer solchen Operation keine oder nur noch sehr viel weniger Medikamente gegen ihre Zuckerkrankheit. Das Problem: Wie genau dieser Mehrwert entsteht, weiß bislang niemand. Sicher ist nur: Es ist nicht allein der ? meist beachtliche ? Gewichtsverlust, der die positiven Folgen mit sich bringt. Denn der Effekt auf den Blutzuckerspiegel tritt häufig bereits wenige Tage nach dem Eingriff auf, zu einer Zeit also, zu der das Abnehmen noch gar nicht begonnen hat. Ein US-Ärzteteam könnte nun jedoch einen entscheidenden Faktor entdeckt haben: im Blut herumschwimmende Proteinbausteine.

Blandine Laferrère vom New York Obesity Nutrition Research Center und ihre Kollegen wählten einen cleveren Ansatz für ihre Studie: Sie suchten sich zwei kleine Gruppen von übergewichtigen Diabetikern, von denen die eine mit Hilfe einer streng kontrollierten Diät abnahm und die andere infolge einer Magenbypass-Operation. Als die beiden Gruppen jeweils im Schnitt 10 Kilogramm abgenommen hatten ? die OP-Gruppe benötigte dafür einen Monat, die Diät-Gruppe zwei ?, nahmen die Wissenschaftler Blutproben und untersuchten, welche Stoffwechselprodukte darin in welchen Mengen zu finden waren. Die Idee dahinter: Da der Gewichtsverlust gleich groß war, müsste er auch etwa den gleichen Beitrag zu einer etwaigen Stoffwechselveränderung geleistet haben. Noch bestehende Unterschiede sollten sich dann auf andere Faktoren zurückführen lassen ? und die müssten sich wiederum im Profil der Stoffwechselprodukte, dem Metabolom, wiederfinden.

Tatsächlich konnten die Forscher einen solchen Unterschied im Metabolom der beiden Gruppen identifizieren: Bei den Teilnehmern der OP-Gruppe schwammen sehr viel weniger Aminosäuren im Blut umher als bei denen der Diät-Gruppe. Besonders die Menge der sogenannten verzweigten Aminosäuren ? Leucin, Isoleucin und Valin ? sowie einiger anderer Proteinbausteine war auffällig stark reduziert. Parallel dazu verbesserte sich die Regulation des Blutzuckers in der OP-Gruppe deutlich rasanter als bei den Diäthaltenden.

Normalerweise, erläutern die Forscher, verzögert sich die Insulinfreisetzung bei Diabetikern vom Typ 2 nach den Mahlzeiten, so dass der Zucker aus der Nahrung nicht sofort abgebaut wird und der Blutzuckerspiegel übermäßig ansteigt. Zudem reagieren die Körperzellen weniger gut auf den vom Insulin überbrachten Befehl, Zucker aus dem Blut aufzunehmen, ein Effekt, der auch als Insulinresistenz bezeichnet wird. Beides normalisierte sich nach dem Eingriff in der OP-Gruppe nahezu, so dass keiner der Teilnehmer zum Testzeitpunkt mehr Medikamente einnehmen musste, schreiben die Forscher. In der Diätgruppe war zwar ebenfalls ein Fortschritt zu verzeichnen, hier war aber die Hälfte der Teilnehmer weiterhin auf die blutzuckerregulierenden Tabletten angewiesen. Die Ergebnisse ihrer relativ kleinen Untersuchung überprüften die Wissenschaftler anschließend mit Hilfe von Daten aus zwei anderen, größeren Studien. Auch hier habe es den gleichen Effekt gegeben ? Abnahme der verzweigten Aminosäuren im Blut bei gleichzeitiger Verbesserung der Blutzuckerkontrolle.

Zwei Fragen bleiben allerdings noch offen, geben sie zu bedenken. Zum einen sei unklar, warum sich die Aminosäurekonzentration verringert. Verantwortlich dafür könnte beispielsweise ein geringerer Eiweißkonsum sein, denn die OP-Gruppe nahm im Schnitt weniger Kalorien und auch weniger Eiweiß zu sich als die Diätgruppe. Für wahrscheinlicher halten die Mediziner aber, dass sich der Abbau der Aminosäuren im Körper beschleunigt, erste Hinweise darauf habe es in der Studie bereits gegeben.

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Zum anderen bleibe bisher ungeklärt, ob das Verschwinden der Aminosäuren aus dem Blut die Ursache oder aber eine Folge der verbesserten Blutzuckerregulation sei. Die Forscher selbst tendieren zu der Annahme, dass die Aminosäurekonzentration die Insulinproduktion und -freisetzung und damit den Blutzuckerspiegel direkt beeinflusst ? möglicherweise in Zusammenarbeit mit verschiedenen Darmhormonen, deren Menge sich durch die Veränderung der Verdauungswege bei der Operation ebenfalls verändert. “Wir müssen jetzt vor allem verstehen lernen, wie und warum die Menge der verzweigten Aminosäuren bei Diabetes-Risikogruppen ansteigt ? sind es Ernährung? Gene? Darmbakterien? ? und wie man sie auch ohne Operation gezielt senken kann”, sagt Mitautor Christopher Newgard von der Duke University in Durham.

Blandine Laferrère (New York Obesity Research Center) et al.: Science Translational Medicine, Bd. 3, Nr. 80, Artikel 80re2 wissenschaft.de ? Ilka Lehnen-Beyel
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