Der Duft des Fremden
Je größer die Bandbreite der MHC-Varianten innerhalb einer Population ist, desto weniger anfällig ist diese für neue Krankheitserreger. Diese Vielfalt bleibt am besten erhalten, wenn jedes Gruppenmitglied sich einen Partner wählt,
dessen MHCs möglichst große Unterschiede zu den eigenen aufweisen. Um das sicherzustellen, hat die Natur einen cleveren Trick entwickelt: Sie ließ Eiweißfragmente, die exakt zu den jeweils vorhandenen MHC-Proteinen passen, zu einem wichtigen Bestandteil des individuellen Körpergeruchs werden. Der potenzielle Partner kann so die Immunausstattung seines Gegenübers buchstäblich erschnüffeln. Bei Mäusen und vielen anderen Wirbeltieren läuft das über das sogenannte vomeronasale Organ: Es ist an oder in der Nase beheimatet und aktiviert bei Anregung ganz spezielle Nervenzellen im Gehirn, die unter anderem für das soziale Gedächtnis zuständig sind.
Doch beim Menschen scheint dieses spezielle Organ degeneriert und damit nicht mehr funktionstüchtig zu sein. Daher streiten Wissenschaftler bereits seit Längerem darüber, ob der Mensch die MHC-Signale überhaupt wahrnimmt und wenn ja, was sie auslösen. Die bisherigen Studien zu dem Thema lieferten leider gemischte Ergebnisse: Zwar ließ sich bei einigen eine klare Vorliebe für den Körpergeruch von Menschen nachweisen, die andere MHC-Varianten in ihrem Erbgut trugen als die Probanden selbst, in anderen Untersuchungen fehlte eine solche Vorliebe dagegen völlig.
Kann man sich selbst riechen?
Manfred Milinski vom Max-Planck-Institut für Evolutionsbiologie in Plön und seine Kollegen näherten sich daher dem Problem nun auf einem Umweg. Sie hatten in einer früheren Studie entdeckt, dass Menschen mit einer ähnlichen MHC-Ausstattung auch Parfüms mit ähnlichen Inhaltsstoffen und einer ähnlichen Duftnote bevorzugen. Könnte es also sein, dass wir unbewusst genau die Gerüche auswählen, die unseren MHC-Duft betonen und damit optimal in Szene setzen? Wäre das so, müssten wir aber auch in der Lage sein, unseren eigenen MHC-Duft zumindest unbewusst irgendwie wahrzunehmen, so die Schlussfolgerung der Wissenschaftler.
Genau das prüften die Forscher nun in ihrer Studie. Sie ließen dazu 25 Frauen zwei verschiedene Flüssigkeiten unter ihren Achselhöhlen verteilen. Dabei wurde auf der einen Seite eine zur genetischen MHC-Ausstattung passende Eiweißmischung aufgetragen und auf der anderen Seite eine, die nicht passte. Anschließend sollten die Probandinnen an ihren Achseln schnuppern und auf einer Skala angeben, welchen Geruch sie bevorzugten und zwar im Sinne von „würde ich diesen Duft als Parfüm tragen?“ Tatsächlich hatten, wie von den Forschern vorhergesagt, die Proben die Nase vorn, die zum eigenen MHC-Typ passten.
Beim passenden Duft leuchtet das Hirn auf
Anschließend legten die Wissenschaftler die Testteilnehmerinnen noch in einen Magnetresonanztomografen und ließen sie wiederum an den Proben schnuppern. Resultat: Hier lösten die passenden Mischungen eine größere Aktivität in einem bestimmten Bereich des Gehirns aus als die fremden. Folglich funktioniere das MHC-Duftsystem trotz des Fehlens eines funktionsfähigen Vomeronasalorgans beim Menschen, schlussfolgern die Forscher. Es scheine auf einer selbstzentrierten Basis zu arbeiten: Menschen können andere MHC-Gerüche vor allem dann wahrnehmen, wenn sie ihrem eigenen gleichen.
Vermutlich gebe es im Gehirn eine Art Vorlage, mit der die wahrgenommenen Duftnoten verglichen werden. Passt sie, ähnelt das Immunsystem des Gegenübers stark dem eigenen. Passt sie nicht, sind die MHC-Proteine des anderen wohl anders aufgebaut. Inwieweit das jedoch einen Einfluss auf das Verhalten oder gar die Wahl eines Partners beim Menschen hat, darüber lassen sich die Wissenschaftler bisher nicht aus.