Mehr Cannabis – weniger Grips?
Bei der Auswertung der Daten zeigte sich ein scheinbar linearer Zusammenhang: Je mehr und regelmäßiger die Teilnehmer nach eigenen Angaben Haschisch geraucht hatten, desto schlechter schnitten sie in den IQ-Tests ab. Theoretisch könnten aber auch andere Umstände zu solchen kognitiven Einbußen führen. Deshalb prüften die Forscher damals sechs weitere mögliche Einflussfaktoren, darunter Alkoholismus, Abhängigkeit von harten Drogen, Schizophrenie und Tabakrauchen, aber auch die Dauer der Schulbildung. Da sich für keinen dieser Faktoren eine klare Korrelation zur Intelligenz der Teilnehmer ergab, sahen Meier und ihre Kollegen die Ursache für den IQ-Rückstand klar beim Cannabis.
Doch den entscheidendsten Faktor haben die Forscher damals offenbar schlicht übersehen: die sozialen Umstände. Das jedenfalls kritisiert Ole Rogeberg vom Ragnar Frisch Centre for Economic Research in Oslo und belegt dies nun in einer eigenen Studie. Ausgehend von den gleichen Daten – der Dunedin-Studie – rechnet er vor, dass die sozialen Verhältnisse der Teilnehmer und ihrer Eltern allein bereits ausreichen, um ihr schlechteres Abschneiden bei den IQ-Tests zu erklären – und auch ihre vermehrte Cannabis-Nutzung.
Schlussfolgerungen voreilig
„Dass die sozioökonomische Umgebung von Kindern ihre Intelligenz und geistige Entwicklung ursächlich beeinflusst, haben unter anderem Adoptionsstudien bereits gezeigt“, sagt Rogeberg. Dass das Umfeld eines Menschen eine wichtige Rolle für seinen IQ spielen könne, sei nicht wirklich neu. Umgekehrt habe eine kanadische Studie, die Teilnehmer einer sozial sehr homogenen Gruppe – Angehörige der weißen Mittelschicht – untersucht hatte, keinerlei langfristigen Effekt der Cannabis-Nutzung auf den IQ festgestellt.
„Es wäre vielleicht ein wenig zu hart, die Studie von Meier et al. komplett zu diskreditieren, aber fairerweise muss man sagen, dass ihre Methodik fehlerhaft und die Schlussfolgerungen voreilig waren“, sagt Rogeberg. Denn aus den vorliegenden Daten lasse sich nicht ablesen, ob der niedrigere IQ einiger Probanden auf neurophysiologische Folgen des Cannabis-Konsums zurückgehe oder aber auf die Einflüsse der sozialen Umgebung. „Sollten die Effekte eher auf Kultur als auf Pharmakologie zurückgehen, muss dies auch bei Entscheidungen über den politischen und gesetzgeberischen Umgang mit diesem Thema berücksichtigt werden“, meint Rogeberg.