Ein internationales Forscherteam hat herausgefunden, warum manche Menschen trotz HIV-Infektion nicht an der Immunschwächekrankheit Aids erkranken: Bestimmte Erbinformationen aktivieren bei ihnen ein Markierungseiweiß, das dem Immunsystem HIV-infizierte Zellen zur Bekämpfung anzeigt. Die Wissenschaftler hatten die genetischen Profile von sogenannten “HIV Controllern” mit den Erbinformationen von Menschen verglichen, die nach einer HIV-Infektion eine Immunschwäche entwickelt hatten. Die Informationen über die Hintergründe der natürlichen Widerstandsfähigkeit könnten die Grundlage für die Entwicklung neuer Therapien bilden, erklärt das Team um Florencia Pereyra vom Ragon Institute in Massachusetts.
Ohne eine Therapie erkranken die meisten mit dem Humanen Immundefizienz-Virus (HIV) infizierten Menschen an der Immunschwächekrankheit Aids. Es gibt allerdings Ausnahmen: Bei einem von dreihundert Infizierten bleibt die Anzahl der Viren im Blut so gering, dass die Krankheit deutlich später oder überhaupt nicht ausbricht. Mit Informationen darüber, wie das Immunsystem bei diesen “Controllern” das Virus unterdrücken kann, hoffen Wissenschaftler neue Therapien oder einen Impfstoff entwickeln zu können. Um herauszufinden, welche genetischen Faktoren zur Resistenz führen, haben Wissenschaftler des Ragon Instituts im Jahr 2006 das Projekt “International HIV Controllers Study” ins Leben gerufen. Für die aktuelle Studie verglichen sie die Erbinformationen von rund 1.000 Controllern und 2.600 Patienten mit einer fortgeschrittenen HIV-Infektion.
Durch den Vergleich konnten die Wissenschaftler den verantwortlichen Genabschnitt immer weiter einkreisen und stießen schließlich auf eine Erbinformation, die für die Bildung eines sogenannten HLA-Proteins verantwortlich ist. Diese Eiweiße spielen eine Schlüsselrolle im Immunsystem: In infizierten Zellen binden sie an bestimmte Bestandteile von Viren, befördern sie an die Zelloberfläche und geben damit den Killerzellen des Immunsystems das Signal zur Zerstörung der infizierten Zelle.
Die Forscher konnten nun zeigen, dass die Bindungsstelle des HLA-Proteins bei den Controllern ein wenig anders aufgebaut ist als bei den Vergleichspatienten. Offenbar ist das Protein dadurch besser in der Lage, dem Immunsystem eine infizierte Zelle zu melden. “Es ist noch ein langer Weg, bis wir diese Erkenntnisse in eine Therapie für Patienten oder die Entwicklung eines Impfstoffes umsetzen können, aber wir sind dennoch einen großen Schritt weitergekommen”, kommentiert Bruce Walker, Leiter des Ragon Institute und Co-Autor der Studie, die Ergebnisse.
Florencia Pereyra (Ragon Institute, Massachusetts) et al.: Science, Onlinevorabveröffentlichung, doi: 10.1126/science.1195271 dapd/wissenschaft.de ?
Martin Vieweg