Edwards wollte sich damit allerdings nicht abfinden. Er begann bereits in den 1950er Jahren, die Biologie der Fortpflanzung genauer unter die Lupe zu nehmen. Inspiriert wurde er von der Entdeckung einiger Kollegen, dass Eizellen von Kaninchen auch außerhalb des Körpers befruchtet werden können, wenn man sie mit Sperma zusammenbringt. Edwards musste jedoch feststellen, dass sich dieses Prinzip nicht so einfach auf den Menschen übertragen ließ ? zu unterschiedlich waren der Lebenszyklus der Kanincheneizellen und der der menschlichen. Daher galt es, zuerst einmal die grundlegende Biologie der Eizelle zu verstehen.
In der Folge entdeckte Edwards unter anderem, wie menschliche Eizellen reifen, welche Rolle die verschiedenen Hormone dabei spielen und zu welchem Zeitpunkt die Eizellen überhaupt empfänglich für den Kontakt mit den Spermien sind. Auch mit den Samenzellen selbst befasste Edwards sich: Er konnte klären, unter welchen Bedingungen Spermien aktiv werden und somit überhaupt in der Lage sind, eine Eizelle zu befruchten. Einen ersten Durchbruch seiner Arbeit erlebte der Physiologe im Jahr 1969: Damals gelang es erstmals, ein menschliches Ei im Reagenzglas zu befruchten.
Doch der Weg zum Retortenbaby war noch weit. Das Hauptproblem: Die befruchtete Eizelle teilte sich nur ein einziges Mal und stoppte dann ihr Wachstum. Zwar sah Edwards relativ schnell die Lösung ? er vermutete korrekt, dass das Problem bei einer im Eierstock gereiften Eizelle nicht auftreten würde ?, hatte jedoch keine Möglichkeit, Eizellen in einem entsprechenden Stadium zu entnehmen. Aus diesem Grund tat er sich mit dem Gynäkologen Patrick Steptoe zusammen, dem es mit Hilfe einer Bauchspiegelung tatsächlich gelang, entsprechende Eizellen aus den Eierstöcken zu gewinnen.
Trotz der vielversprechenden Ergebnisse mussten Edwards und Steptoe zu diesem Zeitpunkt einen Rückschlag hinnehmen: Die öffentliche Finanzierung des Projektes wurde eingestellt. Erst eine private Spende ermöglichte es den beiden, ihre Arbeiten wieder aufzunehmen. Kurz darauf erfolgte der Durchbruch: Das Ehepaar Lesley und John Brown entschied sich Ende 1977 für eine In-vitro-Fertilisation. Eine Eizelle wurde entnommen, entwickelte sich im Reagenzglas zu einem Embryo mit acht Zellen und wurde Lesley anschließend wieder eingesetzt. Am 25. Juli 1978 brachte sie per Kaiserschnitt ein gesundes Mädchen zur Welt, Louise Joy, die damit der erste außerhalb des Mutterleibs gezeugte Mensch der Welt war.
Im Anschluss gründeten Edwards und Steptoe mit der Bourn Hall Clinic in Cambridge das erste Zentrum für In-vitro-Fertilisationen weltweit, das nicht nur aktiv an der Weiterentwicklung der Methode arbeitete, sondern auch Mediziner und Zellbiologen von anderen Kliniken in der Technik schulte. Steptoe verstarb 1988, blieb aber bis dahin medizinischer Direktor der Klinik. Edwards war Forschungsleiter bis zu seinem Ruhestand.
Nach einer Reihe weiterer Verbesserungen und Verfeinerungen ist die IVF heute eine etablierte und weltweit angewendete Methode, die in 20 bis 30 Prozent der Fälle zu einer erfolgreichen Schwangerschaft führt. Komplikationen sind eher selten, und bisher gibt es trotz intensiver Studien keine Hinweise darauf, dass die im Reagenzglas gezeugten Kinder gesundheitlich beeinträchtigt sind. Der beste Beweis dafür sei, dass mittlerweile viele IVF-Kinder, darunter auch Louise Brown, selbst Kinder bekommen hätten, so das Nobelkomitee ? und dass viele von ihnen auf völlig natürlichem Wege gezeugt wurden.