Angiotensinrezeptoren kommen aber neben den Blutgefäßen auch auf vielen Organen und Zellen vor, die nicht mit der Regulierung des Blutdrucks in Zusammenhang stehen, beispielsweise auf den T-Zellen. Diese gehören zur Abwehrtruppe des Immunsystems, spielen aber auch bei vielen Autoimmunkrankheiten sowie bei chronisch-entzündlichen Erkrankungen eine Rolle.
Da nun Multiple Sklerose eine solche chronisch-entzündliche Erkrankung ist, kamen Michael Platten von der Universität Heidelberg und sein Team auf die Idee, es könne ein Zusammenhang zwischen Angiotensin II und den typischen Entzündungsherden in Hirn und Rückenmark bestehen. Eine Vermutung, die sich in Versuchen mit Mäusen bestätigte: Das Hormon trieb die Entstehung der Entzündungen maßgeblich voran.
Der Wirkmechanismus, den die Wissenschaftler dabei entdeckten, war bislang völlig unbekannt: Wenn Angiotensin II an einen Rezeptor angedockt ist, übermittelt es seine Botschaft an die Zelle mit Hilfe des Signalmoleküls Transforming-Growth-Factor beta (TGF-beta). Dieses Molekül kann, abhängig vom umgebenden Gewebetyp und einigen anderen Botenstoffen, Entzündungsreaktionen entweder vorbeugen und eindämmen oder aber begünstigen.
Insgesamt hat TGF-beta häufiger eine schützende Wirkung, im Gehirn jedoch löst es die bekannten Entzündungsprozesse aus. Das konnten die Wissenschaftler feststellen, als sie den Tieren den Wirkstoff Candesartan ins Futter mischten, einen AT1R-Blocker, der somit auch die Freisetzung von TGF-beta hemmt: Die Entzündungsherde in den Gehirnen der Mäuse und damit verbundene Symptome wie etwa Lähmungserscheinungen gingen zurück.
?AT1R-Blocker verhindern im Gehirn nur die durch Angiotensin ausgelösten TGF-beta-Spitzenkonzentrationen, die für die Entzündungsreaktion verantwortlich sind. Die TGF-beta-Basisspiegel sind davon unbeeinflusst, so dass offensichtlich auch die Schutzfunktion für den Rest des Körpers erhalten bleibt?, erklärt Platten.