Stabile Gesundheit und ein maßvoller Lebenswandel allein reichen nicht aus zur Langlebigkeit: Ein internationales Forscherteam hat 150 Genvarianten identifiziert, die für ein biblisches Alter von über 100 Jahren ausschlaggebend sind. Analysiert wurde dazu das Erbgut von 1055 mindestens 90-Jähringen und 1267 Personen mit durchschnittlichem Lebensalter. Anhand der gefundenen genetischen Varianten lässt sich mit 77-prozentiger Sicherheit bestimmen, ob eine außergewöhnlich lange Lebenszeit zu erwarten ist. Bei den Hochbetagten und den Vergleichspersonen ließen sich keine Unterschiede hinsichtlich der Genvarianten feststellen, die mit typischen Alterskrankheiten in Verbindung gebracht werden.
Durchschnittlich leben Menschen in entwickelten Ländern 80 bis 85 Jahre lang. Beeinflusst wird die Lebensdauer durch Umweltfaktoren wie den Lebensstil und durch das Erbgut. Aus Zwillingsstudien ist bekannt, dass 20 bis 30 Prozent der Lebenszeitspanne über den 85. Geburtstag hinaus auf die Gene zurückzuführen ist. Welche genau das sind, haben nun die Wissenschaftler um Paola Sebastiani von der Boston University in einer Genanalyse von 1055 hellhäutigen Engländern und US-Amerikanern ermittelt, die zwischen 1890 und 1910 geboren und 90 bis 119 Jahre alt wurden. Als Kontrollgruppe dieser so genannten Hundertjährigen dienten Menschen, deren Vorfahren im Schnitt 73 Jahre alt geworden sind.
Analysiert wurden sogenannte Punktmutationen: Das sind winzige genetische Veränderungen, die ungleich verteilt im menschlichen Erbgut auftreten. Ausgehend von bekannten Genvarianten, die bereits mit einer außerordentlichen Lebensdauer in Verbindung gebracht wurden, fanden sich 150 Genvarianten, in denen sich die Hundertjährigen von der Vergleichsgruppe unterscheiden. Die Hochbetagten konnten anhand der genetischen Signaturen in 19 Gruppen eingeteilt werden, von denen jede für eine bestimmte Lebensdauer steht. Die Gruppe der über 110 Jahre alten Studienteilnehmer besaßen auch die meisten der Genvarianten, die mit Langlebigkeit zu assoziieren sind.
Die Wissenschaftler suchten auch nach Genvarianten, die in der Medizin mit alterstypischen Krankheiten in Zusammenhang gebracht werden wie Demenz, Bluthochdruck und Herzkreislaufbeschwerden. Im Vergleich der Uralten mit der Kontrollgruppe stellte sich heraus, dass es kaum Unterschiede gibt. „Die Langlebigkeit dürfte also das Resultat sein von vielen Genvarianten, die ein langes Leben versprechen, und die Genvarianten übertrumpfen, die alterstypische Krankheiten auslösen“, schreiben die Forscher. Mit ihrem Modell können sie mit 77-prozentiger Wahrscheinlichkeit prognostizieren, ob ein Mensch ein biblisches Alter erreicht.
Paola Sebastiani (Boston University) et al.: Science, doi: 10.1126/science.1190532 ddp/wissenschaft.de ? Rochus Rademacher