Muskeln und Knochen kommunizieren miteinander über Signalstoffe ? wodurch auch Krankheiten “übertragen” werden könnten. Bislang hatte man angenommen, dass Krankheiten jeweils nur Knochen oder Muskeln alleine beeinflussen. Wie US-Forscher nun allerdings feststellten, bewirken Defekte in Genen, die für die Muskelfunktion wichtig sind, auch Veränderungen in den Knochen und umgekehrt. In weiteren Untersuchungen konnten die Wissenschaftler dann beobachten, wie Knochen und Muskeln über verschiedene Botenstoffe miteinander kommunizieren. Die Wissenschaftler Marco Brotto von der University of Missouri-Kansas Cityum erhoffen sich von den Resultaten neue Ansätze zur Behandlung zahlreicher Krankheiten, die Muskeln oder Knochen betreffen.
Osteoporose, also Knochenschwund, ist die häufigste Knochenerkrankung bei älteren Leuten. Die Dichte und damit die Stabilität der Knochen nimmt dabei ab, was sie anfälliger für Brüche macht. Auch wird im Alter zunehmend Muskelmasse abgebaut, wodurch die Körperkraft abnimmt. Bis jetzt nahm man an, dass derartige Phänomene unabhängig voneinander entstehen und sich nicht gegenseitig beeinflussen. Das Team von Brotto identifizierte jetzt aber verschiedene Signalsysteme zwischen Muskeln und Knochen. Erste Hinweise lieferte den Forschern eine Beobachtung im Zusammenhang mit einem Gen, das die Muskelfunktion entscheidend beeinflusst: War dieses mutiert oder beschädigt, beeinträchtigte das nicht nur wie erwartet die Muskelfunktion, sondern veränderte auch die Knochenstruktur. Daraufhin machten die Wissenschaftler eine erstaunliche Entdeckung: Knochen können wie Drüsen agieren und bestimmte Hormone wie etwa Prostaglandin abgeben, die von den Muskeln erkannt werden und das Muskelwachstum beeinflussen. Umgekehrt schütten auch die Muskeln Botenstoffe aus, worauf die Knochen beispielsweise mit einem Abbau reagieren.
Brotto und seine Kollegen untersuchten auch den Kalzium-Stoffwechsel: Kalzium ist einerseits wichtig für die Bildung dichter und stabiler Knochen, wird aber auch bei der Muskelkontraktion benötigt. Der Kalziumspiegel im Körper wird unter anderem durch ein bestimmtes muskelspezifisches Enzym namens MIP gesteuert, dessen Konzentration im Alter zurückgeht. Die Wissenschaftler schalteten nun bei Mäusen das Gen aus, das dieses Enzym codiert. Das Resultat: Die Mäuse hatten nicht nur schwache Muskeln, sondern auch eine reduzierte Knochendichte. Besonders ausgeprägt war dieser Effekt bei weiblichen Mäusen, die sogar Osteoporose entwickelten, während die Knochenveränderungen bei den Männchen nicht ganz so weit fortschritten. Dies zeigt auch, dass der Kalziumstoffwechsel geschlechtsspezifisch funktioniert ? weshalb wahrscheinlich mehr Frauen als Männer an Osteoporose leiden. Nach Einschätzung der Forscher ist ein genaueres Verständnis der Wechselwirkungen zwischen Knochen und Muskeln die Voraussetzung für neue Therapien für Patienten mit Knochen- und Muskelkrankheiten.
Marco Brotto (University of Missouri-Kansas City) et al.: Experimental Biology Meeting in Anaheim, 24. bis 28. April 2010 ddp/wissenschaft.de ? Thomas Neuenschwander