Bei der Aufzucht ihrer Jungen im Nest erkennen amerikanische Blässhühner ihren eigenen Nachwuchs. Damit unterscheiden sie sich von vielen anderen Vögeln, die auch fremde Jungtiere aufziehen ? ein Umstand, den sich Kuckucke zunutze machen, indem sie ihre Eier in die Nester anderer Vogelarten legen. Die Amerikanischen Blässhühner hingegen orientieren sich bei jeder Brut neu am zuerst geschlüpften Jungvogel und erkennen dann später geschlüpfte Tiere als fremd, wenn diese sich vom Erstgeborenen unterscheiden.
Amerikanische Blässhühner produzieren häufig mehr Eier, als sie Jungtiere aufziehen können. Nur in besonders guten Jahren überleben alle Jungvögel. Selbst in Zeiten mit durchschnittlichem Nahrungsangebot verhungert etwa die Hälfte der Jungvögel. Um ihren eigenen Fortpflanzungserfolg zu steigern, legen Blässhühner daher auch Eier in die Nester von Artgenossen ? in der Hoffnung, dass diese den Irrtum nicht bemerken und die geschlüpften Jungtiere wie ihre eigenen Nachkommen großziehen.
Das Risiko, solchen Brutparasiten aufzusitzen, können die Vögel jedoch mit ihrer Strategie senken, sich bei jeder Brut immer am Erstgeborenen zu orientieren. Wie gut das funktioniert, testeten die Forscher, indem sie den Vögeln kurz vor dem Schlüpfen Eier wegnahmen, diese in einem Inkubator ausbrüteten und die geschlüpften Küken dann wieder ins Nest der Eltern ? oder auch in fremde Nester ? setzten. Hierbei zeigte sich, dass die Küken, die von den Eltern als erstes im Nest erblickt worden waren, bevorzugt behandelt wurden und daher die größten Überlebenschancen hatten ? unabhängig davon, ob es sich um die leiblichen Nachkommen handelte oder nicht. Auch die Geschwister dieser vermeintlich Erstgeborenen hatten größere Überlebenschancen.
„Die Blässhühner sind nicht außergewöhnlich klug“, erklärt Shizuka das Verhalten der Tiere. Sie nutzten nur gezielt die vorhandenen Informationen, um Brutparasitismus zu vermeiden. In früheren Studien hatten Forscher bereits gezeigt, dass Blässhühner ein Gespür für die Zahl ihrer Eier haben und so ebenfalls vermeiden können, fremde Küken aufzuziehen.
Daizaburo Shizuka und Bruce Lyon (Universität von Kalifornien, Santa Cruz): Nature, doi: 10.1038/nature08655 ddp/wissenschaft.de ? Ulrich Dewald