Opioide gehören zu den ältesten Schmerzmitteln der Menschheit. Aus den Kapseln des Schlafmohns gewonnen, wurden sie schon vor Tausenden von Jahren zur Betäubung und Schmerzlinderung eingesetzt. Auch heute noch setzt man verschiedenste chemische Abkömmlinge des Opiums ein – beispielsweise in Form von Morphinen, um Schmerzen zu lindern, als Kodein in Hustenmitteln oder als Arzneimittel-Grundstoff wie das Thebain. Entsprechend hoch ist der Bedarf an den zu den Alkaloiden gehörenden Opioiden. Genau hier aber liegt ein Problem: „Allein um den globalen medizinischen Bedarf an Morphin zu decken, müssen hunderttausende Tonnen Mohn jährlich verarbeitet werden“, erklären Kate Thodey und ihre Kolleginnen von der Stanford University. Und Alternativen dazu gibt es bisher so gut wie keine, denn nur wenige Pflanzen produzieren Opioide und eine rein chemische Synthese dieser Pflanzenstoffe im Labor ist bisher zumindest in industriellem Maßstab nicht möglich, wie die Forscherinnen berichten. Trotz der vielen Probleme mit illegalem Drogenhandel ist der Anbau von Schlafmohn in großem Stil daher bisher unverzichtbar.
Abhilfe schaffen könnten gentechnisch veränderte Mikroorganismen. Schon jetzt nutzen Forscher beispielsweise Bakterien wie den Darmkeim Escherichia coli, um eine Vielzahl von nützlichen Verbindungen auf biotechnische Weise herzustellen. Doch für Pflanzeninhaltsstoffe wie die Opioide ist dies bisher nur sehr selten gelungen. Der Hauptgrund dafür: Die in den Pflanzen ablaufenden Reaktionswege sind extrem komplex, vielschrittig und verzweigt – sie genetisch in Mikroorganismen nachzubauen, ist daher alles andere als einfach. Die eher simpel gestrickten Bakterien sind dafür meist ungeeignet, wie Thodey und ihre Kolleginnen erklären. Eine bessere Chance liefern dagegen Hefezellen, die komplexer organisiert sind und bereits einen Zellkern besitzen.
Bierhefen mit kleinen Extras
Für ihre Studie nutzten die Forscherinnen Zellen der Bierhefe (Saccharomyces cerevisiae), denen sie mehrere Gene für drei im Schlafmohn aktive Enzyme einschleusten. Über ein künstliches Chromosom erhielten die Hefen so die Baupläne und Produktionsanweisungen für die Akteure, die im Mohn die letzten Syntheseschritte hin zum Morphin durchführen. Durch diese Genmanipulation gelang es den Thodey und ihren Kolleginnen, Hefestämme zu erzeugen, die Morphin, Kodein und andere Opioide aus der Vorläufersubstanz Thebain herstellten.
Allerdings war die Ausbeute dieser nützlichen Opium-Derivate mit rund 0,2 Milligramm pro Liter Kulturlösung zunächst noch sehr gering, berichten die Forscherinnen. Der Grund dafür: In der nachgebauten Reaktionskette trat eine Verzweigung auf, die statt des Morphins unerwünschte Nebenprodukte erzeugte. Beim Schlafmohn existiert diese Verzweigung dagegen nicht. Warum das so ist, zeigten nähere Analysen des Reaktionsverlaufs: Ein wichtiges Zwischenprodukt, das Codeinon, entsteht offenbar erst, wenn vor dem Wirken des zweiten Enzyms eine kleine Pause eintritt. Um diese Pause zu gewährleisten, modifizierten die Wissenschaftlerinnen ihre Hefezellen erneut, indem sie die Hefezellen dieses zweite Enzym in ihrer Zellorganellen produzieren ließen. Diese räumliche Trennung vom Rest der Reaktionskette sollte dem Codeinon mehr Zeit verschaffen, in die gewünschte Konfiguration zu gelangen. Und dies gelang auch: Durch die räumliche Trennung und eine Optimierung der Kulturlösung gelang es Thodey und ihren Kolleginnen, bis zu 131 Milligramm pro Liter Morphin und andere Opioide zu gewinnen.
Nach Ansicht der Forscherinnen demonstriert dies, dass sich Opioide grundsätzlich auch mikrobiell herstellen lassen – ganz ohne Schlafmohn. Noch allerdings schaffen die genmanipulierten Hefen nur den zweiten Teil der langen Reaktionskette. Weil jedoch Teile des ersten Abschnitts bereits in anderen Mikroorganismen nachgebaut wurden, könnte es relativ leicht sein, diese auch noch in die Hefen zu übertragen. Am Ende stünde dann eine Hefe, die aus einfachen Zuckern Opioide herstellt. Statt gewaltigen Flächen von Schlafmohn bräuchte die pharmazeutische Industrie dann nur noch Bottiche mit Bierhefe, um ihren begehrten Rohstoff herzustellen.