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Zweifache Sinnestäuschung

Erde|Umwelt Gesellschaft|Psychologie

Zweifache Sinnestäuschung
Wer lange auf die stürzenden Wassermassen eines Wasserfalls schaut und danach den Blick auf einen benachbarten Felsen lenkt, bekommt den irritierenden Eindruck, der Fels bewege sich aufwärts. „Wasserfalleffekt“ nennen Wahrnehmungsforscher dieses Phänomen. Einen solchen Effekt haben US-Forscher nun auch beim Tastsinn entdeckt, und dieser ist sogar mit der visuellen Wahrnehmung verknüpft: In den Experimenten glaubten Probanden, ein Tastreiz auf der Fingerkuppe sei in Bewegung, wenn sie zuvor an einem Bildschirm nach unten oder oben wandernde Linien betrachtet hatten, berichten die Wissenschaftler um Talia Konkle vom Massachusetts Institute of Technology (MIT) in Cambridge.

Für ihre Tests hatten die Wissenschaftler eigens ein Gerät zur gezielten Erzeugung von Tastreizen entwickelt: Es besteht aus einem ein mal ein Zentimeter großen Quadrat aus 60 feinen Metallstiften, die elektronisch einzeln angesteuert und gezielt in Vibration versetzt werden können. Legten Probanden ihre Fingerkuppe auf die Stifte, konnten die Forscher gezielt stationäre Reize erzeugen oder Linien von Reizen über die Fingerkuppe wandern lassen. Zudem zeigten die Wissenschaftler den Versuchsteilnehmern horizontale oder vertikale Linien, die sich über einen Computerbildschirm bewegten.

Der Tastsinn ist viel enger mit der visuellen Wahrnehmung verknüpft, als Wissenschaftler bisher vermuteten, ergab sich aus den Experimenten: Hatten die Probanden zuvor am Bildschirm nach oben wandernde Linien betrachtet, bekamen sie das Gefühl, eine eigentlich stationäre Linie von Reizen auf der Fingerkuppe wandere nach unten. Umgekehrt sahen sie am Bildschirm Linien nach oben wandern, wenn die Forscher zuvor eine Linie von Reizen auf dem Finger nach unten bewegten. Diese Ergebnisse zeigten nicht nur die enge Verbindung beider Sinne, erklären die Wissenschaftler, sondern widerlege auch die Annahme von Wahrnehmungsforschern, dass visuelle Eindrücke in jedem Fall bei der Bewertung durch das Gehirn dem Tastsinn überlegen seien.

Phänomene wie der Wasserfalleffekt hingen mit der Ermüdung von Nervenzellen zusammen, die lange ein und demselben Reiz ausgesetzt sind, hatten Wissenschaftler lange vermutet. Die Ergebnisse zeigten jedoch, dass die Nervenzellen keineswegs müde seien, denn sonst käme es nicht zu der beobachteten Verknüpfung eigentlich unabhängiger Sinnesreize, erklärt Konkle. Die Nervenzellen stellten sich vielmehr ununterbrochen immer wieder neu auf die sich verändernde Welt ein.

Talia Konkle (Massachusetts Institute of Technology, Cambridge) et al.: Current Biology, Online-Veröffentlichung, doi:10.1016/j.cub.2009.03.035 ddp/wissenschaft.de ? Ulrich Dewald
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