Das Gefühlt für räumliche Dimensionen in den Händen lässt sich nicht so leicht durch optische Illusionen täuschen: Auch wenn ein optischer Trick einen Gegenstand dem Betrachter als größer oder kleiner vorgaukelt, hat die Hand keinerlei Schwierigkeiten, exakt danach zu greifen. Das haben israelische Forscher um Tzvi Ganel von der Ben-Gurion-Unversität in Beer-Sheva in Experimenten herausgefunden, in denen sie Versuchspersonen optische Täuschungen vorlegten. Da sich die Motorik der Probanden nicht täuschen ließ, muss es zwei Verarbeitungskanäle für visuelle Eindrücke im Gehirn geben, so das Fazit der Forscher: Ein Kanal ermöglicht die bewusste Wahrnehmung des Gesehenen, der andere hilft beim Steuern von Handlungen und Körperbewegungen.
Die Forscher versuchten in mehreren Experimenten, rund 15 Probanden durch optische Täuschungen in die Irre zu führen. Dazu brachten sie zwei Markierungen unterschiedlicher Länge auf einem verzerrten Karomuster an. Allerdings erschien die kürzere Markierung aufgrund der optischen Täuschung länger.
Zuerst wurden die Versuchspersonen nach ihrer Längeneinschätzung gefragt: Zu 88 Prozent unterlagen sie der optischen Täuschung. Dann sollten sie nach den Markierungen greifen. Die Forscher hatten dazu eine besondere Versuchsanordnung konstruiert: An Daumen, Zeigefinger und Handgelenk der Probanden waren Leuchtdioden befestigt. Eine Videokamera konnte dadurch deren genaue Bewegung aufzeichnen. Außerdem trugen die Testteilnehmer eine manipulierbare Brille. Sobald die Freiwilligen zum Griff nach der Markierung ansetzten, unterbrachen die Psychologen nach kurzer Zeit die Sicht auf die Markierung.
Der Bewegungsansatz zum Ergreifen der Markierung war nicht durch die optische Täuschung beeinflusst, zeigte die Auswertung. Denn obwohl die Teilnehmer eine optische Illusion wahrnahmen, bewegten sich Zeigefinger und Daumen exakt so, wie es der realen Markierungsgröße entsprochen hätte. Die Forscher schließen daraus, dass visuelle Sinneseindrücke auf zwei Arten im Gehirn verarbeitet werden.
Tzvi Ganel (Ben-Gurion-Universität, Beer-Sheva) et al.: Psychological Science, Band 19, S. 221 ddp/wissenschaft.de ? Martin Schäfer